Déjà-vu
Datum: 09.06.2021,
Kategorien:
CMNF
... schaute genauso verstört, wie ich mich fühlte. Wir wechselten kein Wort. Wir stülpten uns in die Klamotten und rafften unsere Siebensachen zusammen. Dann liefen wir los. Unterwegs aßen wir im Gehen und gegen Mittag erreichten wir die Weggabelung zum Gutshof.
Bevor wir anklopften fragte ich unsicher: „Was sollen wir sagen?“ „Die Wahrheit“, war Alex' pragmatische Antwort. Maria öffnete uns. Mein Mann führte das Wort: „Wir müssen mit Rufus sprechen! Es geht um Leben und Tod!“ Sie war überrascht. Sie stammelte etwas von: „Nicht schon wieder“ und „Das war schon genug Hiobsbotschaft für heute“, ließ uns aber schließlich eintreten. Wir liefen direkt zur Bibliothek, wo mein Mann energisch anklopfte. Rufus öffnete uns verärgert, nachdem uns sein anfängliches „Ich wünsche nicht gestört zu werden“ nicht abgehalten hat. Alex ging sofort in die Vollen: „Ich weiß, Sie haben Ihre Frau verloren. Ich weiß weiterhin, dass sie im Besitz eines Artefaktes sind, mit dem Sie dies ungeschehen zu machen hoffen. Aber Ihre Wortwahl ist falsch! Sie wünschen sich, dass der Tag aufs Neue beginnt, wohl in der Hoffnung, Ihre Frau früh aufzuhalten. Aber das schaffen Sie nicht! Ändern Sie die Formulierung! Wünschen Sie sich, dass Ihre Frau nie aufgebrochen wäre oder etwas ähnliches!“
Das verdatterte Gesicht des alten Mannes sprach Bände. Er rang um Worte. Schließlich gab er den Versuch auf. Er ging zu dem Tisch, nahm die Öllampe und rieb sie: „Ich wünsche, dass meine Frau heute Morgen nicht ...
... aufgebrochen ist.“
Es war der neunte Tag unseres Survival-Urlaubs. Nackt wie ich geschlafen hatte schlüpfte ich unter der Decke der schmalen Liege hervor. Das war ein Tag gestern. Glücklicherweise hatte Alex die Wetterveränderung rechtzeitig bemerkt, bei dem Schneesturm hätte ich nicht zelten wollen. Und ebenso glücklich war der Umstand, dass das ältere Ehepaar – Rufus und Rebecca – uns so freundlich aufgenommen hatte. Lange hatten wir zusammen gesessen und geredet. Rufus war Archäologe und wusste viel zu erzählen, war aber genauso neugierig, was wir zu erzählen hatten.
Oh, mein Kopf... Wie viele Flaschen Wein hatten wir gestern Abend eigentlich geleert? Ich tappste verschlafen über den steinernen Fußboden auf der Suche nach der Toilette. Maria, die Haushälterin, kam die Treppe hinauf und errötete, als sie mich sah. Dann ging sie schnell wieder hinunter. Erst beim Blick in den Badezimmerspiegel dämmerte es mir, dass ich mich vielleicht doch zuerst hätte anziehen sollen. Die Tür ging auf. Alex brachte mir meine Schlabber-Sachen. „Na du hast die arme Maria ja ganz schön erschreckt! Heute keine Wanderung. 30cm Neuschnee letzte Nacht – Rebecca hat uns angeboten, noch ein-zwei Nächte zu bleiben... Jetzt beeil dich, Frühstück steht schon auf dem Tisch!“
Es war eine herzliche, ausgelassene Stimmung beim Essen. Wir redeten, lachten und bemitleideten unsere Nachwehen des gestrigen Alkoholkonsums. Doch dazwischen immer wieder Gedanken... Visionen? Erinnerungen, die zurückkamen... An den ...