1. Der Bergsee


    Datum: 03.10.2018, Kategorien: Schamsituation

    ... zurücklief, um ihren Automobilschleier zu holen. Ich startete derweilen den Motor und öffnete meiner Begleitung wenig später die Seitentür.
    
    "Pardon, madame!"
    
    Ich spielte sie perfekt, die Rolle des Bonvivant!
    
    Als wir die Stadt verließen und auf den nassen Straßen Richtung Gebirgspass steuerten, überkam mich plötzlich Müdigkeit. War es die schwüle Dunstigkeit die in den Bäumen hing, oder auch nur mein Mangel an Schlaf in den heißfeuchten Nächten; in jedem Falle hatte ich mit einem Male Mühe, mich auf die von Rißen durchdrungene Bergstraße zu konzentrieren, die sich in lang geschwungenen Serpentinen, wie eine träge Schlange, den felsigen Sattel hinaufzog.
    
    Ich blickte kurz nach rechts: Ein trübes Glitzern unter der verdeckten Sonne. Wohl ein versteckter Bergsee im Kessel unter uns. Dahinter, in der Ferne, die blauen Gebirge.Hochalpen, gleich kalter Zacken in einer riesenhaften Krone.
    
    Auch meine Beifahrerin wandte ihre großen wasserblauen Augen zur Seite und betrachtete still den atemberaubenden Ausblick auf die Landschaft: Die gräsernen Abhänge, die grün und saftig vom Regen zum Wasser hin abrupt abfielen, farnbewachsenen Heiden, welche in die tiefen Fluten des Sees mündeten und in der Ferne jene grau im Wolkenlicht liegende Steinfelder, die sich in schroffen Felstürmen zu ungeahnten Höhen gen Horizont erhoben.
    
    "Such a marvelous landscape!", hörte ich sie sagen.
    
    Wenig später endeckte ich eine Abzweigung, an welcher ein Pfeil zu ebenjenem Gewässer deutete, ...
    ... in dem sich zuvor unser beider Augen verloren hatten. Kurzerhand schlug ich diesen Weg ein. Sollte doch die Möglichkeit bestehen, wenigstens ein einziges Mal in dieser Sommerfrische die Vorzüge dieses Landes auszukosten!
    
    Der Weg war nunmehr ein Pfad aus Staub und Geröll.
    
    Ich hatte Angst um die Reifen, genauer gesagt um den Stoßdämpfer, als wir den Berg hinab holperten. Mehr als ein Mal glaubte ich ein Klirren in den Eingeweiden meines Fahrzeuges zu hören, jedoch kamen Wagen und Passagiere, abgesehen von ein paar blauen Flecken, unversehrt an den sumpfigen Ufern an.
    
    Mit einem Mal schlug uns die Hitze des Nachmittages entgegen. Die Sonne hatte sich in diesen Minuten vor den Schleier geschoben und brannte fast glühend auf uns herab. Vor allem war es Lydia, die den Schatten suchte, nicht ohne mit einem blasierten:
    
    "The sun is so hot here!", auf die Empfindlichkeit ihrer weißen Haut aufmerksam zu machen.
    
    Mir gefiel es, das sie es aufgegeben hatte, in ihrem künstlichen Aristokratenfranzösisch zu säuseln, sondern nurmehr ihre Muttersprache verwendete, deren Wörter mir auf das Beste geläufig waren. Wir setzten uns unter einen Hulstbaum, der wie eine Insel aus dem morastigen Untergrund herausragte, umgeben von einem schmalen Streifen aus Gras, der trocken genug schien, um sich darauf niederzulassen.
    
    Sie begann mit Leicester, was den nun eigentlich damit sei.
    
    Ich lächelte sie an. Ob sie denn wirklich die Geschichte eines "Krauts" hören wollte, frage ich sie. Einem ...
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