Mondquartier
Datum: 25.08.2021,
Kategorien:
Schamsituation
Aus ‚Susi’ war plötzlich ‚Susanne’ geworden, als sie zum ersten Mal mit Johannes in das südoldenburgische Städtchen gekommen war. Als Susanne hatte er sie seinen Eltern vorgestellt.
Die Gegend hatte von Anfang an etwas Unwirkliches gehabt, riesige Felder, die so gar nichts idyllisches hatten, schmucke Häuser, bei denen alles Leben schon vor Jahren mal in einer großen Welle aus Konformität ertrunken zu sein schienen. Am merkwürdigsten aber die von Zeit zu Zeit auftauchenden Protzhäuser der ‚Hühnerbarone’. Ja, sie waren sicher so groß wie die inzwischen fast verfallenen Güter in Vorpommern; aber für Susi war es so, dass diese bewohnten Häuser hier viel weniger Leben ausstrahlten als die verlassenen Güter im Osten.
Johannes, der auf Mallorca noch ‚Hannes’ gewesen war hielt mit seinem schicken BMW Z 3 genau vor einem dieser Häuser. Jetzt waren sie also da. Susanne hatte sich fast ein halbes Jahr gesträubt, die Eltern ihres neuen Freundes zu besuchen, doch letztendlich hatte sein Argument gesiegt, er könne einfach nicht mit ihr zusammenziehen, wenn er sie nicht vorher seinen Eltern vorgestellt habe.
Als Hannes sie seinen Eltern dann als seine neue Freundin aus Berlin vorgestellt hatte, war ihr vieles klar geworden. Hierher hätte der kleine geliebte Ring, den sie seit ihrem 18.Geburtstag normalerweise in der Nase trug wirklich nicht gepasst. Auch die Beweggründe für seinen Vorschlag zu einem Einkaufbummel, von dem sie mit zwei Lacoste Polos und ihrer ersten ...
... Bundfaltenhose, ihr wurde heute noch mulmig bei dem Gedanken, zurückgekommen war, seine Bitte, ihr Haar doch zusammenzubinden, alles war jetzt in einem klareren Licht erschienen.
Sie war jetzt Teil dieses Sittengemäldes geworden. Die Eltern, hatten ausgesehen, als kämen sie gerade vom Golfplatz oder wären auf dem Weg dorthin, das klinisch wirkende Haus und selbst Hannes, der jetzt ‚mein Sohn’ und ‚Johannes’ geworden war, wirkte hier anders. In Berlin hatten ihn dieses Auto und seine manchmal merkwürdige Kleidung mit den Cordhosen und Lodenmänteln zum großen Individualisten gemacht. Ausgerechnet hier, in dieser irgendwie toten Gegend hatte er sich nahtlos eingefügt.
Das war lange her. Susi war nie gerne nach Vechta gefahren; aber sie liebte Hannes, sie liebte seine intelligente und manchmal doch so naive Art, sie liebte es, dass er sich niemals über die Ungerechtigkeit der Welt beschwerte, wie es ihre alten Freunde aus Vorpommern pausenlos getan hatten, deshalb war sie auch irgendwann einfach nach Berlin geflüchtet. Manchmal hatte sie gedacht, sie wäre vom Regen in die Traufe gekommen, während die Vorpommern ihr angebliches Leid bejammerten, beklatschten die Berliner es.
Süß hatte sie es gefunden, als Hannes ihr dann nach seinem juristischen Examen einen Heiratsantrag gemacht hatte. Sie hatte in der Zeit doch schon gut als in einer Unternehmensberatung gearbeitet. Ihre Kunden hatten ihre Kompetenz, ihre Kreativität und ihren Fleiß geschätzt. Ihr etwas ‚alternatives’ Auftreten war ...