1. Mondquartier


    Datum: 25.08.2021, Kategorien: Schamsituation

    ... nur sehr selten bemängelt worden, häufiger sie Komplimente dafür geerntet und es hatte ihr Spaß gemacht zu verfolgen, wie gestandene Geschäftsfrauen sie manchmal ganz offensichtlich in kleinen Dingen kopiert hatten. Im bestimmten Berliner Geschäftskreisen hatte frisurentechnisch eine echte ‚schwarze Welle’ ausgelöst. Wieso war Hannes also genau jetzt mit der Idee der Heirat gekommen, wollte er jetzt der Ernährer sein?
    
    Auf Vieles hatte sie sich seitdem eingelassen. Sie hatten geheiratet, das gemeinsame Konto war immer gut gefüllt gewesen, doch ihren Vorschlag, eine neue Wohnung zu suchen, wollte er einfach nicht mittragen. Irgendwann, nach langen durchdiskutierten Nächten war dann die Entscheidung gefallen, sie würden nach Vechta ziehen, wo Joannes die Kanzlei seines plötzlich verstorbenen Onkels übernehmen würde und Susanne dort ein angehängtes Steuerbüro eröffnen sollte. Es würde höchstens eine Frage von ein paar Monaten sein, bis sie zur Wirtschaftsprüferin ernannt werden würde.
    
    Später erzählte Susanne manchmal, es sei wie ein Saunabesuch gewesen, zuerst die Jugend im unterkühlten Mecklenburg, dann ins heiße Berlin und jetzt ins Tauchbecken Vechta. Sie lernte sehr schnell, dass hier nur die Angepassten überlebten. Wenn Susanne in den Spiegel schaute bekam sie manchmal einen Schreck. Nicht einmal ihre Mutter war jemals so bieder gewesen. Doch sie wollte den Erfolg, sie wollte nicht zu den Frauenpartys auf den von Rhododendron umstandenen Terrassen.
    
    Die Leute ...
    ... beobachteten den jungen Herrn Gramann und seine junge und sehr hübsche Frau, die ja angeblich aus dem Osten stammte, sehr genau. Warum gab es keine Kinder, was trug sie, waren die Haare für eine Frau ihres Alters und ihrer Stellung nicht einen Hauch zu rot. Susanne selbst fand ihre Kleidung fade und der leichte Rotstich, den ihr die Friseuse in das braune Haar tönte, war ihr eher peinlich. Doch sie war eindeutig erfolgreich, doch was spielte das für eine Rolle, den Großteil ihrer Mandantschaft mochte sie nicht und hier stimmte es wirklich, Geld spielte keine Rolle.
    
    So schnell war aus einer fröhlichen und jungen Berliner Geschäftsfrau ein vor Langweile dahinsiechendes ‚Weibchen’ geworden. „Susi, was hast Du mit Dir gemacht?“ Diesen Satz hatte sie oft vor sich hin gemurmelt.
    
    Dann war Fred aufgetaucht. Johannes hatte für ihn durchgesetzt, dass er im Gewerbegebiet einen größeren gastronomischen Betrieb eröffnen durfte. Ganz egal, worum es ging, Johannes war immer stolz gewesen, wenn er irgendwas für irgendwen gegen irgendwen gewonnen hatte. Und, auch das war üblich, Fred hatte gleich einen Termin mit Susanne gemacht wegen einer Wirtschaftsberatung.
    
    Er war irgendwie ein ganz netter und offener Kerl. Kein muskelbepackter Riese, eher der gewitzte Geschäftsmann, der mal eine neue Idee probieren will. Sein Geschäftskonzept war verblüffend einfach: ein Nobelhotel sollte es sein, mit Wellness. Das war Trend aber da sollte eben nicht Schluss sein, der Name sollte Programm werden: ...
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