-
Teufelskreis 01: Das Interview
Datum: 24.09.2022, Kategorien: BDSM
„So ya thought ya might like to go to the show? To feel the warm thrill of confusion, That space cadet glow?" -Pink Floyd Ich ging die Einfahrt hinauf und wischte mir alle zwei, drei Schritte die schwitzigen Hände am Rock ab. Ich kam mir ganz klein vor, wie eine Figur in einem Film. Über mir glühte das Haus, sein Haus, Neros Haus, Stahl und Glas und Marmor in der Spätnachmittagssonne. Im Garten rund herum blühte Rhododendron, plätscherte Wasser, kein Mensch war zu sehen. Nur eine Überwachungskamera schwenkte müde von links nach rechts. Von diesem Hügel konnte man die ganze Stadt überschauen. Der Fluss war ein Bernsteinband, die Menschen in den Parks am Ufer winzig. Dort, die Uni. Dort, ununterscheidbar von den dutzenden Doppelgängern, mein schäbiger Wohnblock. Noch vor ein paar Jahren war Nero mit mir zusammen aufs gleiche Gymnasium gegangen. Jetzt spielte er in einer ganz, ganz anderen Liga ... Vor der Haustür zog ich noch einmal den Schminkspiegel aus der Handtasche und überprüfte Lippenstift, Eyeliner und mein hochgebundenes Haar. Präsentabel? Es musste reichen. Mein Outfit war ein dunkler Rock, helle Bluse und die Goldkette, die mir Thomas zum letzten Geburtstag geschenkt hatte. So weit, so gut. Ich sah vielleicht nicht aus wie eine Starjournalistin, aber wenigstens wie eine, die weiß, was sie will. Mehr als nur eine nervöse Studentin. Na dann! Ich drückte die Klingel. Ein Securitymann Mitte fünfzig mit grauen Haaren und grauem Bart öffnete ...
... die Tür. Er hatte Tattoos bis auf die Handrücken hinab, und als sich sein grimmiges Gesicht in ein Lächeln löste, sah ich, dass ihm zwei Schneidezähne fehlte. „Bitte?" „Chiara Jägersmann. Ich habe einen Termin mit Nicolas ... mit Nero um siebzehn Uhr, wegen eines Interviews?" „Ja, ja, immer nur rein in die gute Stube, ha!" Der Securitymann trug ein Silberkreuz an einer Halskette, ein zweites neben der teuren Uhr an seinem Handgelenk. „Sie können im Wohnzimmer warten, Nero ist noch im Studio. Nichts anfassen -- das sind alles Originale. Unbezahlbar." Wie erwartet verschlug mir das Innere des Hauses die Sprache. Der Securitymann führte mich einen Gang hinab und dann zwei Treppen hoch, und bereits auf diesem kurzen Weg kamen wir an schimmernder Rosenholztäfelung vorbei, an Bildern in schlichten Rahmen, von denen ein einziges meine ganzen Studiendarlehen hätte abbezahlen können, an ethnisch aussehenden Skulpturen in Wandnischen und angelehnten Türen, hinter deren einer ich Bücherregale, hinter einer anderen einen Konzertflügel sehen konnte. Ich zog das Klemmbrett aus der Handtasche und begann im Gehen, mir Notizen zu machen. Ich bevorzugte es schon immer, von Hand zu schreiben. Dann: Ein Wohnzimmer, die westliche Wand komplett verglast, sodass man glaubte, hinausspringen und über die Stadt hinwegfliegen zu können. Gegenüber hing ein Ölgemälde im Stil von Caspar David Friedrich, beinahe so groß wie ich, das eine Windmühle an einer Wegkreuzung und darüber einen ...