Begierde: Never fuck the company (Teil 1)
Datum: 20.11.2022,
Kategorien:
Verführung
... nicht für die Direktoren. Die sitzen in wunderbaren verglasten Büros. So eingerichtet, dass bei Bedarf ein Sichtschutz-Rollo heruntergelassen werden kann. Schließlich brauchen Häuptlinge Ruhe, um sich zu konzentrieren. Die Indianer nicht. Dabei sind die gläsernen Wände meist ohnehin mit unfassbar wichtigen Postern und anderen Materialien zugehängt. Hier im Großraumbüro sind eben alle gleich. Nur der Eine oder Andere ist ein klein wenig gleicher.
Ich bin ein externer Berater. Ich werde gerufen, wenn Projekte kompliziert werden. Und das hier ist wirklich kompliziert. Zuerst kommen immer teure und renommierte Beratungsunternehmen und beglücken den Kunden mit "Strategieberatung". Für knapp unter 3000 Euro Tagessatz glaubt man denen blind, was sie auf Hochglanz-Foliensätze schreiben. Wenn's dann schwierig wird, sind die natürlich wieder weg. Sie sind zu teuer.
Und dann kommen die, die die Ärmel hochkrempeln und das Vorhaben umsetzen müssen. Leute wie ich. Ich liebe genau diesen Job, denn ich verabscheue dieses aufgesetzte, schnöselige Berater-Getue. Ich bin eine Art Management-Handwerker. Und ich bin gut in dem, was ich tue. Meine Visitenkarte sagt schlicht "Berater". Viele verstehen das nicht, sie schmücken sich viel lieber mit eleganten Titeln. Gerade in Banken kommt das meist sehr gut an. Der große Auftritt ist die halbe Miete. Deshalb arbeite ich auch viel lieber für eher bodenständige Unternehmen. Maschinenbauer beispielsweise oder Energieversorger.
Aber diesmal ist ...
... es eben eine Bank. Die Bank hat mich im November beauftragt, als Multi-Projektmanager ein paar von Anfang an als kritische eingestufte IT-Projekte zu führen und - natürlich - erfolgreich zu machen. Diese Projekte laufen schon seit Mai. Ohne einen wirklichen roten Faden, versteht sich. Und im letzten Quartal des Jahres stellte man plötzlich fest, dass es knirscht. Und zwar gewaltig. Überraschung!
Alex ist Projektverantwortlicher. Mein Mitarbeiter, zumindest zeitweise. Ebenso wie Karin und Clemens. Im Gegensatz zu Karin und Clemens, die von in mittelständischen Beratungshäusern angestellt sind, ist Alex Mitarbeiter der Bank. Als Multi-Projektmanager bin daher so etwas wie der temporärer Chef der drei fachlichen Projektverantwortlichen. Ich vertrete ihre Projekte gegenüber dem Auftraggeber. Ich mag keine Hierarchie-Spielchen. Daher bin ich mir der von mir erwarteten Rolle zwar durchaus bewusst, trete den Kollegen gegenüber aber nie als Chef auf. Sie schätzen das. Alex ist gerade dabei, die fachlichen Grundlagen seines Projekts neu zu beschreiben. Natürlich ist sein Meilenstein vor Weihnachten eingehalten worden. Wie immer. Man schraubt eben ein bisschen and den Vorgaben und dann passt es schon. Zumindest nach außen. Und Anfang Januar ist ohnehin immer eine ruhige Zeit, da kann man dann alles wieder zurechtbiegen oder gleich neu machen. So wie Alex gerade jetzt. Wir kennen das. Es ist eigentlich immer so. Das liegt nicht an Alex; das "System" verlangt es so.
Alex ist Anfang ...