1. Doro 09: Das Gästezimmer


    Datum: 13.03.2019, Kategorien: Nicht festgelegt,

    ... sprudelnde Wasser war so verlockend, dass Doro ohne weiteres Zögern ihr Kleid abstreifte und mit einem Bein über den Rand der Wanne stieg, um mit den Zehen die Temperatur zu testen.
    
    In den langen Monaten im Gefängnis war Privatsphäre für sie zum Fremdwort geworden. Die Notwendigkeit, sich Gemeinschaftsduschen teilen zu müssen und sich davor, teils unter den Augen männlicher Wachen, ausziehen zu müssen, hatte sie die Scheu davor, sich anderen im Bad unbekleidet zu präsentieren, verlieren lassen. Erst als sie die aufgerissenen Augen und den schockierten Gesichtsausdruck der anderen Frau bemerkte, wurde ihr wieder bewusst, dass dies nicht für jede normal sein dürfte. Ihr entfuhr ein ersticktes Geräusch und sie sah sich suchend um. Janine verstand, was sie suchte und reichte ihr ein großes, flauschiges Badetuch. Als Doro dieses vor sich hielt, entspannte sich die Zofe sichtlich.
    
    „Ähm, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Entschuldige."
    
    Sie überlegte, ob sie zur Erklärung erzählen sollte, was sie durchgemacht hatte. Doch sie hatte die Befürchtung, dass sie Janine damit nur noch mehr verschrecken würde. Die eklatante Unstimmigkeit zwischen dem Äußeren und der Persönlichkeit der anderen Frau drängte sich ihr auf. Die aufreizende Kleidung und das auffällige Make-Up konnten keinen falscheren ersten Eindruck von ihr vermitteln. Zwar schien Janine ihr ein paar Lebensjahre voraus zu haben, aber Doro war offenkundig deutlich erfahrener und selbstsicherer. Das ...
    ... bedeutete bei ihrem eigenen ziemlich erschütterten Nervenkostüm eine ganze Menge. Der Kontrast war so krass, dass sie nicht mehr länger schweigen konnte.
    
    „Sag mal, Janine, warum trägst du eigentlich dieses Kleid und schminkst dich wie ein Vamp mit dem dunklen Lidschatten und so?"
    
    Verunsicherung legte sich wieder über die Miene der Angesprochenen wie eine dunkle Wolke über die Sonne.
    
    „Das ist meine Arbeitskleidung. Ich trage sie im Dienst immer. Ist etwas nicht in Ordnung damit?"
    
    Doro überlegte, dass diese Tatsache einiges über den Arbeitgeber aussagte, der seine Angestellten in eine derart sexistische Uniform zwang. Sie hoffte inständig, dass dieser Zwang nicht von ihrem frisch erkorenen Idol, Madame Séverine ausging. Dies wäre ein Tiefschlag, den sie in ihrem gegenwärtigen labilen Zustand nicht ertragen könnte. Aus Angst, etwas zu erfahren, das sie gar nicht hören wollte, schob sie das Thema zu Seite.
    
    „Alles gut. Ich würde jetzt gerne baden."
    
    Janine nickte. „Natürlich. Hier sind verschiedene Badezusätze, bediene dich bitte nach Belieben. Brauchst du noch etwas?"
    
    „Nein, danke, im Moment nicht."
    
    Die Erleichterung war Janine deutlich anzusehen, als sie aus dem Badezimmer geradezu floh.
    
    Doro stieg in die Wanne und genoss das heiße Wasser, das sie umfing, und den Schaum, der sich um sie herum ausbreitete. Der kräftige Duft von Rosen und Vanille erfüllte den Raum und sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal so entspannt gewesen war. Die ...
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