Arno
Datum: 09.11.2024,
Kategorien:
Schamsituation
„Arno?“ Zu spät, das Wort war über die Zunge noch eh das Gehirn seine Tätigkeit aufgenommen hatte. Der junge Mann vor unserer Tür schaute mich etwas verlegen an: „Hallo, ist Martha da?“ Er kannte anscheinend den Weg zu meinem Fremdenzimmer, das meine Nichte in diesen Ferien in Beschlag genommen hatte und lies mich mit meinen Gedanken allein.
Ja, er sah so aus wie Arno. Wie Arno vor 20 Jahren ausgesehen hat!!! Wies ich mich zurecht. Unsere Wege hatten sich ein paar Mal gekreuzt und an jeder dieser Kreuzungen hatten wir einen sauberen Unfall hingelegt.
Nachbarskinder, praktisch gleich alt. Die Väter und auch die Mütter mochten sich. Vielleicht ist das Wort Sandkastenliebe für uns erfunden worden. Wenn ich zurück denke, waren wir immer in Arnos Sandkasten. Auch im Winter??? Kann man sich überhaupt zurückerinnern oder fallen einem im Grunde nur die alten Fotos ein? Unsere Familie hatte großes Vergnügen daran , dass wir uns so ungeniert auf den Mund küssten, wir vielleicht auch. Ich glaube, Arno war ein wirklich netter Junge, vielleicht zu nett? Jedenfalls hab ich mir einmal eine Decke über den Kopf gezogen um ihn zu erschrecken und er hat sich gegen das Gespenst mit einer kleinen Metallschaufel verteidigt. Meine Kopfverletzung blutete stark, daran erinnere ich mich wirklich und Arno ist mir dann immer irgendwie aus dem Weg gegangen.
Obwohl Nachbarn, sahen wir uns selten, wir gingen in der Grundschule in Parallelklassen und mit 10 kam er auf ein Jungengymnasium und ich ...
... auf eins für Mädchen. Als ich 11 wurde, raste ich schon wieder mit Volldampf auf die nächste Kreuzung zu; aber wer konnte das wissen? Wegen Haltungsmängeln sollte ich Sport treiben und auch er war bei den Leichtathleten. Arno war im Verein schon ein kleiner Star. Sein schlanker Körper raste wie der Wind um die Aschenbahn, er mochte auch die anderen Disziplinen und immer wenn ich auf den Sportplatz kam, sah ich ihn irgendetwas üben.
Mein Interesse für Jungen war gerade dabei zu erwachen und er war unschuldig wie mit 4, als er das Gespenst besiegt hatte. Ich fühlte mich von ihm missachtet. Was dachte er, warum ich immer wieder zum Platz kam und stundenlang neben der Aschenbahn hockte? Wie konnte er so freundlich zu mir sein und mich immer wieder abblitzen lassen? Sein blödes Gerenne und Gehoppse war ihm mehr wert sich mal neben mich zu setzen. Ich fühlte mich verletzt. Ich habe dann einmal einfach seine Sachen versteckt, als er unter der Dusche war und Arno hatte keine Wahl als nackt über den halben Platz zu seiner Sporttasche zu laufen. Er hatte mit 11 noch einen winzigen unbehaarten Kinderpimmel, alle sahen das, alle lachten und machten ihre Witze und Arno, der das nicht ertragen konnte, wechselte zu den Schwimmern.
Die dritte und vorerst letzte Kreuzung fanden wir mit 15. Im Konfirmandenunterricht waren wir in unterschiedlichen Gruppen gewesen, doch bei einer Konfirmandenfreizeit hatte es zwischen uns Funken geschlagen, wie es nur in dem Alter passieren kann. Die beiden ...