Insel der Scham - die Botschaftseröffnung Teil 1
Datum: 15.11.2024,
Kategorien:
Insel der Scham,
... Fast fing er schon an zu stottern.
„Das ist weil, ähm, ach, das kann Ihnen am besten mein Kollege in der Pforte 2 erklären. Bitte gehen Sie zur Pforte 2“
So blieb Erika Behmkamp nichts anderes über, als diesen zweiten Eingang zu nehmen. Verärgert ging sie weiter den Zaun entlang. Eine solche sexistische Zurückweisung gehörte in das gleiche Jahrhundert wie das Siegel an dieser viel zu schweren Aktentasche. Dann besänftigte sie der Anblick großer hellroter Hibiskusblüten, die in der Morgensonne erstrahlten. Neben der kleinen Treppe mit verziertem Eisengeländer stand ein Holzkübel, darin die fast anderthalb Meter hohe Pflanze. Die junge Anwältin hatte den ihr genannten Eingang erreicht.
Die Pforte 2 zeigte sich als architektonisches Kleinod. Ein Fachwerk aus kunstvoll bearbeiteten roten Balken unterteilte die Ziegelsteine des Mauerwerks. Ebenso umgaben die dicken rote Balken die weißen Rahmen einer Reihe schmaler Fenster. Ein verwinkeltes Schieferdach ließ das kleine Gebäude größer und wichtiger erscheinen, als es ihm eigentlich zustand.
Nach fünf Treppenstufen drückte Erika Behmkamp die Messingklinke der Eingangstür herunter. Hatte sie gerade noch ein altdeutsch romantisches Häuschen betreten, schien sie sich nun im Inneren einer polynesischen Hütte wieder zu finden. Vier dicke Holzsäulen stützten, verbunden durch straff gewickelte fasrige Seile, die filigrane Nachbildung einer Dachkonstruktion, auf der Bastmatten auflagen. An den Fenstern reflektierten bodenlange ...
... weiße Vorhänge auf das tropisch dunkle Holz des Parketts.
Im hinteren Teil, des nur aus einem Raum bestehenden Pfortenhäuschens, stand am Fenster ein weiterer Pflanzenkübel. Triebe mit lang gespreizten Blättern und lila tropischen Blüten kletterten dort am Bambusgitter hoch. Süßlicher Duft der Pflanze strömte in den Raum und vereinigte sich dort mit dem Geruch des neuen Holzes.
Daneben stand ein deckenhohes Regal mit vielen rechteckig länglichen Bastkörben. Mit bunten eingeflochtenen Fäden waren diese von 1 bis 50 durchnummeriert. Links der bunten Nummern zeichneten weiße Fäden stilisiert einen Rock und eine Bluse, rechts davon stellte schwarze Kordel einen Schuh da. Gegenüber der Sitzgruppe aus Rattansesseln mit großen weißen Sitzkissen stand der Schreibtisch des Wachmanns.
„Guten Morgen, ich begrüße Sie recht herzlich in der Botschaft des Inselstaates Sulmavi.“
Etwas steif und förmlich war der Wachmann aufgestanden, und gab seine Begrüßung wie auswendig gelernt wieder. Er trug beige Buntfaltenhosen und ein bordeauxfarbenes Jackett, auf dem links das Sulmavische Staatswappen eingestickt war. Seine dröge, leicht struppelige Kurzhaarfrisur wollte so gar nicht zu dem schicken Outfit passen. Mehr als 12 Euro fünfzig für einen Trockenschnitt hatte er beim Friseur bestimmt nicht gezahlt. An seinem Revers steckte ein gut lesbares Namensschild. „Wachdienst Pforte 2 Andreas Gütmer.“
„Ich bin Erika Behmkamp. Der Botschaftssekretär erwartet mich.“
Der Wachmann griff ...