1. Görtlers Christkind


    Datum: 20.11.2024, Kategorien: Voyeurismus / Exhibitionismus

    ... eher aus Neugier als aus plötzlich erwachtem Mitleid.
    
    "Bitte! Hätten Sie etwas Kleingeld für mich?" drang eine leise Stimme an sein Ohr. Es klang schüchtern, nicht wie die abgeleierten oder aufdringlich frechen Sprüchlein der berufsmäßigen Bettler in der Innenstadt. "Nur ein paar Cent?"
    
    "Äh, ja, Moment," hörte er sich antworten. Das war völlig gegen seine Gewohnheit. Normalerweise ging er an solchen Leuten einfach vorbei, und wenn er doch mal eine Münze herausrückte, tat er das wortlos. Er zog seinen Geldbeutel hervor. Dann fiel ihm ein, dass er eben fast alles Kleingeld ausgegeben hatte.
    
    "Das sind wirklich nur ein paar Cent. Mehr hab ich gerade nicht," erklärte er unnötigerweise, als er seine letzten Münzen in die Plastikdose legte.
    
    "Trotzdem vielen Dank!" piepste die Bettlerin. Sie schien noch jünger, als er im ersten Moment angenommen hatte. Er richtete sich wieder auf und blickte sie an, statt weiterzugehen. Was war nur heute los mit ihm?
    
    "Sie sind noch sehr jung," meinte er. Eigentlich wollte er gar nicht hier in der Kälte stehen und mit einem Mädchen sprechen, die seine Enkelin hätte sein können. Doch irgendetwas hielt ihn fest. Immerhin hatte er sich mit seinen paar Cent die Dankbarkeit dieses Wesens erkauft. Im Gegenzug konnte er ein klein wenig Unterhaltung erwarten. Er unterhielt sich immer seltener in letzter Zeit. Die Nachbarin auf dem Flur, sein Hausarzt und ein Neffe, der ab und zu anrief, waren seine einzigen regelmäßigen Gesprächspartner. ...
    ... "Haben Sie denn kein Zuhause?"
    
    "Ich hab es nicht mehr ausgehalten!" brach es aus ihr hervor. "Glauben Sie mir, das ist nicht so schön, seit Wochen auf der Straße bei diesem Wetter." Sie sprach immer noch leise, aber nun schneller, voller Not sich mitzuteilen. Und voller Hoffnung, Gehör zu finden. "Ich mach das bestimmt nicht freiwillig! Ich würde lieber arbeiten. Oder in die Schule gehen. Das ist verdammt schwer, hier draußen zu hocken und einfach fremde Leute anzusprechen."
    
    "Ja, das glaube ich Ihnen. Man macht sich das gar nicht klar, wenn man es nicht nötig hat."
    
    "Das ist scheißschwierig, wissen Sie. Und jetzt bei dem Wetter."
    
    "Ja, allerdings." Und dann erkannte Görtler sich endgültig selbst nicht wieder. "Wissen Sie was? Jetzt machen wir das richtig! Hier sind erstmal zehn Euro." Er warf den Schein in die Dose. Das Mädchen starrte ihn an. Dann traten Tränen in ihre Augen. "Und Sie schreiben hier, dass Sie Hausarbeit übernehmen, richtig?"
    
    "Oh Gott danke! Danke vielmals! Ja, ich mache alles, was so anfällt. Putzen, Wäsche, Fenster."
    
    "Können Sie auch bügeln?"
    
    "Ja."
    
    "Dann können Sie meine Wäsche bügeln. Ich gebe Ihnen acht Euro für die Stunde, und es ist ziemlich viel. Einverstanden?"
    
    "Ja, oh ja, gerne!"
    
    "Wann können Sie kommen? Heute noch?"
    
    Es sollte schnell gehen, das spürte er deutlich, sonst würde er diese Verrücktheit bereuen.
    
    "Gern, ja! Heute mittag?"
    
    "Gut, kommen Sie um zwei." Er würde dann "zufällig" noch etwas von dem Braten übrig ...
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