Argonauta Kapitel 03-07
Datum: 02.04.2025,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
... Algorithmus einfach jeden einzelnen Zug genauestens im Voraus berechnet und somit vorhersehen kann, welchen Zug der Gegner als nächstes machen wird."
„Nette Idee", sagte Julia, „leider aber technisch nicht möglich. Schon nach vierzig Zügen kann eine Schachpartie zwischen 10115 und 10120 verschiedene Spielverläufe nehmen. 10120 -- das ist eine eins mit einhundertzwanzig Nullen hinten dran. Damit gibt es mehr verschiedene Spielverläufe beim Schach als es Atome im Weltraum gibt, deren Zahl wird nämlich nur auf irgendwas zwischen1084 und 1089 geschätzt. Das bedeutet, dass ein Computer gar nicht jeden einzelnen Zug detailliert berechnenkann. Wenn man einen Schachalgorithmus basteln will, geht man deshalb ganz anders vor. Man programmiert dem Computer erst einmal natürlich die Grundregeln ein. Welche Figur am Anfang wo steht, welche Züge sie machen kann. Und dann pflanzt man dem Programm einige grundlegende Befehle ein, zum BeispielLass nie und nimmer deinen König ungeschützt."
„Und das soll reichen?"
„Das reicht. Denn alles andere bewerkstelligt der Computer ganz von allein durch Versuch und Irrtum. Der Computer macht seine eigenen Erfahrungen. Wenn er verliert, „weiß" er, dass die Strategie nicht funktioniert hat und wird in einer neuen Runde etwas Anderes probieren. So wird der Computer mit jeder weiteren Partie immer besser. Mit anderen Worten, erlernt dazu. Wie sich ein Schach-Computer verhält, hängt also nicht nur davon ab, welche Instinkte man ihm vorher ...
... einprogrammiert hat, sondern auch maßgeblich davon, welche Erfahrungen der Computer gemacht hat."
„Und was für Computerprogramme gilt, das gilt auch für Lebewesen, stimmt's?", fragte Melina.
„Genau. Wie wir uns verhalten, wird uns von den Genen nicht bloß aufgezwungen, sondern es wird von der Umwelt beeinflusst. Mit wem wir aufwachsen, welche Erfahrungen wir im Lauf unseres Lebens machen, welche Schulbildung wir genossen haben und so weiter. All das beeinflusst unser Tun und Handeln. Die Umwelt prägt unser Verhalten damit genauso wie die Gene. Wenn wir Verhalten erklären wollen, müssen wir begreifen, dass nicht giltnatureor nurture, sondernnatureand nurture. Um auf die Vögel zurück zu kommen. Der Vogelgesang mag in Teilen angeboren worden sein. Wie ein Vogel aber wirklich singt, hängt von seiner Umwelt ab. Es hängt zum Beispiel davon ab, auf welche Weise seine Eltern singen und mit welchem Dialekt sie das tun. Viele Vögel modifizieren ihren Gesang, indem sie Geräusche aus ihrer Umwelt einbauen. Kennst du den Leierschwanz?"
„Schon mal gehört", sagte Stewart, „das ist doch ein australischer Singvogel, oder?"
„Ja. Er ist dafür bekannt, dass er alle möglichen Geräusche in seinen Balzgesang einbaut, die er in seiner Umwelt aufgeschnappt hat. Manche Leierschwanzmännchen imitieren zum Beispiel das knatternde Geräusch von Motorsägen oder den Auslöser einer Fotokamera. Das sind allesamt Geräusche, die es erst seit so kurzer Zeit gibt, dass sie dem Leierschwanz nie und nimmer ...