Argonauta Kapitel 03-07
Datum: 02.04.2025,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
... lebende Schnabeltiere im Cox's River nahe Wallerawang und notierte in sein Reisetagebuch: „Kurz zuvor hatte ich an einem sonnigen Ufer gelegen & über den seltsamen Charakter der Tiere dieses Landes im Vergleich zum Rest der Welt reflektiert. Ein Ungläubiger in allem, was jenseits seiner eigenen Vernunft liegt, könnte ausrufen: ,Sicherlich müssen zwei verschiedene Schöpfer am Werk gewesen sein; ihr Ziel jedoch war dasselbe & sicherlich ist das Werk in jedem Fall am Ende erfüllt.'" Er war auf ein Phänomen gestoßen, das heute als konvergente Evolution bekannt ist -- Lebewesen, die sich unabhängig voneinander an den gleichen Lebensraum angepasst haben, entwickelten ganz ähnliche Merkmale und könnten auf den ersten Blick für nahe Verwandte gehalten werden, obwohl beide völlig unterschiedliche Vorfahren haben. Viele Historiker sind sich heute darin einig, dass jene Begegnung mit dem Schnabeltier eines der Schlüsselelemente für Darwin war, mit der seinerzeit gängigen Lehrmeinung über die Konstanz der Arten zu brechen und seine eigene, heute mit breiter Zustimmung anerkannte, Evolutionstheorie durch natürliche Selektion nachzudenken.
Das Schnabeltier avancierte schließlich zu einem wichtigen Beleg für Darwins Theorie. Denn das Schnabeltier ist ein lebendes Fossil. Obwohl es ein echter Säuger ist und typische Merkmale der Säugetiere aufweist, drei anstelle eines einzigen Gehörknochens, ein sekundäres Kiefergelenk, ein Fell und Milchdrüsen, zeigt es eine Reihe von ...
... reptilienartigen Merkmalen: sein Schultergürtel ist starr und besteht aus allen Knochen, die auch bei Eidechsen vorkommen, die Harn- und Geschlechtsgänge und der Darmtrakt münden in einen gemeinsamen Ausführungsgang, der Kloake, und -- es legt Eier. Letzteres wurde lange angezweifelt. Niemand geringeres als der große Richard Owen, der berühmte Gründer des Naturhistorischen Museums in London, zweifelte daran, dass Schnabeltiere Eier legten. Er gestand den Tieren allerhöchstens zu, dass es womöglich Eier in seinem Inneren trüge, die aber noch im Mutterleib schlüpften und dann lebend geboren würden. Erst 1884 konnte der endgültige Beweis dafür hervorgebracht werden, dass Schnabeltiere Eier legten, als man ein Weibchen erschoss, welches soeben ein Ei abgelegt hatte. Damit wurde das Schnabeltier endgültig zum Beweis dafür, dass die Säugetiere von reptilienartigen Tieren abstammen und dass sie, wie alle Lebensformen, nicht unveränderlich erschaffen worden waren, sondern sich in einem kleinschrittigen Prozess langsam aus einem gemeinsamen Vorfahren entwickelt hatten.
Das possierliche Tierchen, das flink durch das Wasserbecken glitt, angetrieben durch seine kräftigen Vorderbeine und den paddelartigen Schwanz als Höhenruder benutzend, schien sich um derartige Dinge nicht zu kümmern. Julia hatte natürlich schon Bilder von Schnabeltieren gesehen, trotzdem war auch sie beim Anblick dieses lebendigen Geschöpfs regelrecht verzaubert. Es sah einfach zu ulkig aus, wie der kleine Kerl unentwegt seine ...