1. Argonauta Kapitel 03-07


    Datum: 02.04.2025, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... Blätter vielerEucalyptus-Arten enthalten große Mengen von Blausäure. Deshalb verbringen Koalas fast den ganzen Tag damit, die weniger giftigen Blätter herauszusuchen und tun ansonsten nicht viel. Mehr als zwanzig Stunden pro Tag schläft ein Koala, um so viel Zeit zum Verdauen zu haben und Energie zu sparen.
    
    Da! In einer Astgabel auf Kopfhöhe erblickte sie ein hellgraues, plumpes Fellknäuel mit übergroßen, runden Ohren. Die Unterseite des Koalas war cremeweiß und seine Oberseite schien mit einem feinen Schimmer von Silber überzogen zu sein. Das Tier hatte seine Augen geschlossen und döste friedlich vor sich hin. Die große, schwarze Nase krümmte sich leicht und verriet, dass es sich um ein Männchen handelte. Dann und wann zuckte es mit seinen Ohren als träumte es. Julia fand, dass sie noch nie zuvor ein niedlicheres Geschöpf gesehen hatte. Mit seinem übergroßen Kopf, seinen riesigen Dumbo-Ohren, dem plüschigen Fell mit einer leichten Halskrause und dem gedrungenen Körper war der Koala die perfekte Verkörperung des Kindchen-Schemas. Der Beutelbär sah wirklich wie ein Teddybär aus der Spielzeugabteilung eines großen Kaufhauses aus. Aber ein Bär ist der Koala in Wirklichkeit nicht. Wie fast alle australischen Säugetiere, abgesehen von ein paar Nagern, Fledertieren und Robben, sind Koalas Beuteltiere und damit mit Känguruhs, Wombats und dem Beutelteufel näher verwandt als mit Bären. Zum Verlieben sah der Koala dennoch aus und am liebsten hätte Julia ihn auf den Arm genommen ...
    ... und ihn möglichst lange geknuddelt. Konnte so ein Erlebnis in puncto Niedlichkeitsfaktor noch überboten werden?
    
    Es konnte. Schon am nächsten Gehege hätte Julia fast quieken wollen vor Entzückung. Ihre Augen bekamen einen glasigen Blick. Ein Koalaweibchen kletterte mit langsamen, beinahe zeitlupenartigen Bewegungen an seinem Stamm hinauf. Auf seinem Rücken trug es eine kleine Überraschung. Zwei kleine Knopfaugen blickten Julia neugierig an und Julia schmolz regelrecht dahin. Ein Baby, vielleicht sechs oder sieben Monate alt, hatte sich mit seinen winzigen Greifhändchen fest im Fell seiner Mutter verankert und beäugte aufgeregt die große, weite Welt, die für den Mini-Koala noch so viel Spannendes zu bieten hatte. Natürlich musste dieser Augenblick mit der Kamera festgehalten werden. Julia zückte ihr Smartphone und drückte auf dem Display den Aufnahme-Knopf, um ein Video zu drehen.
    
    Die Mutter hatte inzwischen mit ihrem Kleinen einen Ast erreicht, den die Tierpfleger mitEucalyptus-Zweigen bestückt hatten. Julia war erstaunt, wie spielend leicht die Koalas klettern konnten. Ihren Daumen und den zweiten Finger können Koalas den übrigen Fingern ihrer Greifhände gegenüberstellen. Und ihre Fingerkuppen sind, genau wie die Finger der Menschen, mit Papillarleisten überzogen, die stets sicheren Halt garantieren. Rein theoretisch könnte ein Koala, sollte er jemals eines Verbrechens bezichtigt werden, durch Nehmen von Fingerabdrücken erkennungsdienstlich behandelt werden.
    
    Die ...
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