1. Der Paragrafenhengst - Der erste Ritt


    Datum: 02.05.2025, Kategorien: An– und Ausgezogen,

    Der Paragrafenhengst
    
    Eins. Zwei. Drei. Vier.. Fünf.. Sechs... Sieben…. 13 mal sieben Stufen quälen sich die Sekretärinnen aus ihrem kleinen Kellerloch nach oben. Jeder Gang macht schlank. Und Schweiß das Kostüm dreckig, aber das ist ihnen egal, denn die Kalorien, die wir uns gleich anfuttern werden, reichen locker, um nach dem Berlinmarathon in eine 36 zu passen.
    
    Die Geschäftsführung hat zur alljährlichen Besprechung geladen und das bedeutet, dass wir kleinen Arbeitsbienen aus der staubigen Versenkung auftauchen und ans grelle Tageslicht dürfen; wie gut, dass unsere brutalistisch-betonfeste Arbeitsstätte beides beinhaltet – trockene Etagen und ein lichtdurchflutetes und wohlklimatisiertes Glasdach hat – in das wir einmal jährlich bei bezahlter Abwesenheit treten dürfen, um die Großen zu feiern – bzw. das, was wir aus ihnen gemacht haben. Es gibt Häppchen (kleingeschnittenes Brot mit Belag), Sekt (nur ein Gläschen zum Empfang, damit wir unseren Kunden später nicht sagen, wie gemein sie zu uns sind) und furchtbar langweilige Reden (die man nur erträgt, wenn man seinen Sekt vorher mit etwas Heftigerem vermischt hat). Zahlen reihen sich an Zahlen, sie erschlagen sich und uns und werden nur von den Erwartungen auf schönere Zahlen im nächsten Jahr getoppt. Ich mag Pi. Pi ist klein, unerwartet und gleichzeitig weiß jeder, was sie bedeutet. Aber Pi ist nicht da. Stattdessen machen wir Pi mal drei Kreuze, wenn der langweilige Teil vorbei ist und wir unsere blaue ...
    ... Bildschirmbräune gegen gelbes Südseitenbraun eintauschen können.
    
    Treppensteigen und Sonnen – so erspart man sich den nachmittäglichen Sport!
    
    Eins, zwei, drei, vier. Ein Glas Sekt nehmen, dem kleineren der großen Chefs die Hand schütteln, sich von dem arroganteren der beiden Chefs die Hand zerquetschen lassen und die Chefsekretärin für ihr Kostüm bewundern. Ich hasse mich. Meine Bluse zwickt. Einmal jährlich muss ich mich von Jeans, T-Shirt und Turnschuhen trennen und in halbhohe Pumps und Bluse schlüpfen. Nicht, dass ich so etwas nicht schön finde; ganz im Gegenteil: ich finde Sekretärinnen sehr heiß, mit ihren schwarzen Pencil-Skirts, Blazer und weißem Blüschen, von dem man je nach Vorgesetztem einen oder mehrere Knöpfe offen tragen sollte und den hohen Schuhen, die eigentlich zu schade für das Büro sind. Aber der Gedanke, sich nach einem Besuch bei H&M bequem hochzuschlafen zu können, ist mir zuwider. Nicht, dass ich unseren Kunden etwas anderes vorgaukeln würde: mit meinem sportlichen Look erzeuge ich eine Bodenständigkeit, die ich als Stadtnative nicht haben kann. Aber wenigstens kratzt Baumwolle nicht so sehr wie Plastik. Sehnsüchtig warte ich auf eine Vermisstenanzeige meines T-Shirts, aber Facebook sagt nichts. Mark mag sicher keine Lieblingsshirts.
    
    Mein Sektglas in der Hand quetsche ich mich durch die Masse der Mitarbeiter und setze mich auf die Heizung am Fenster. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Und wer gar nicht kommt, hat ein Technik-Problem. Vögeln wie die ...
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