Der Paragrafenhengst - Der erste Ritt
Datum: 02.05.2025,
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An– und Ausgezogen,
... Zahlen, Kollateralschäden in Form vom Burn-out-Patienten, Missständen und Erfolgen, verpackt in Metaphern, die Bilder hervorrufen. McJury steht auf seiner Ebene und macht Eindruck, als sei er Germanys Next Toppolitiker. Viele zweifeln an seinem Verstand, wenn er sie mit seiner Pedanterie zur Weißglut treibt, aber zweifelsohne ist er ein guter Redner. Ich kralle mich am Fensterrahmen fest und bin feucht. Keine Ahnung, ob das meine Schweiß- oder die Bartholinischen Drüsen sind.
Sein Abgang wird frenetisch gefeiert, alle erheben die Reste ihrer Gläser und stoßen an. Keiner glaubt den Versprechungen, die er gemacht hat, seine Beschwörungen sind nur Glitterwerk und jeder weiß, dass seine Rechtfertigungen ebenso wenig Potential wie die Witze Mario Barths haben, aber der Mann hat Charisma, er gibt uns die Hoffnung, hoffen zu können. Und mit Betäubung kommt man ohnehin sehr weit. Ich lasse mich mitreißen. Fröhlich hüpfe ich von meiner Heizung auf und würde tröten, wenn ich eine Vuvuzela hätte. Mein Blick gleitet über die Masse lächelnder Kollegen und in allen Gesichtern erkenne ich die gleiche enthusiastische Zuversicht. Auch Andreas bekommt etwas von meinem ehrlichen Lachen ab und wird sich Hoffnungen machen. Aber das ist egal.
Als der nächste Redner, jetzt Chef Zwei, die Fläche betritt, ist von Ruhe nichts mehr zu spüren. Sichtlich bemüht versucht er seinen Vortrag durch die murmelnde Masse zu pressen, doch es geht nicht. Er wird nicht unterbrochen, doch wir beide wissen, ...
... dass am Ende niemand wissen wird, dass er überhaupt vorn gestanden hat.
Nachdem er geendet hat, ist das Buffet eröffnet. Sich kostenlos den Bauch vollschlagen ist gut, aber wenn man das bei jeder Festlichkeit, also mindestens drei Mal im Jahr, macht, geht das nicht auf die Figur, aber auf den Appetit. Außerdem muss ich dann noch arbeiten. Geistesgleich schlängle ich mich durch das Gewusel der Kollegen und ergattere meinen Jacobskaffee aus der königlichen Maschine der Chefetage. Wir kriegen auch Jacobs – aber Filterkaffee ist mehr Zweck- als Genusstrinken. Mit der Tasse in der Hand suche ich eine ruhige Ecke und finde sie hinter einer tragenden Säule. Eingequetscht vom Grau atme ich langsam den Duft des braunen Zaubertranks ein und entspanne mich. Das Beste am Genuss ist das Vorspiel – langsam alle Schritte abarbeiten, sich vorbereiten auf das, was kommt. Grade weil man weiß, dass gleich des Beste des Momentes kommt, freut man sich. Nach dem Schnuppern kommt das Schwenken, dann ein kleiner Schluck, der im Mund zirkuliert, die Zunge runterrollt, im Bereich für die Bitterstoffe kurz verweilt, in die Nase zieht und dort kreiselt, während er die Speiseröhre runterrollt und im Magen wirkt. Danach das Ganze in groß. Wieder und wieder. Ich bin entzückt.
Als ich aufblicke, begegnen meine Augen einem großgewachsenen Mann im Anzug – McJury. Er steht wie ich in die Ecke gequetscht auf der andere Seite und blickt konzentriert nach vorn. Vermutlich geht er in Gedanken schon das nächste ...