Der Reigen
Datum: 27.06.2025,
Kategorien:
Kunst,
Das nackte Mädchen läuft atemlos über die duftende Sommerwiese. Im Hintergrund erhebt sich majestätisch die steinerne Kulisse der Preiner Wand im Abendlicht. Der Graf schaut ihr versonnen nach. "Ein süßes Mädel, wirklich!", denkt er.
Premierenfeier bei den Sommerfestspielen. Arthur Schnitzlers einst verpöntes Stück "Der Reigen" ist ein großer Erfolg beim Publikum. Die Kritik wird dementsprechend euphorisch ausfallen, wenn man den Pausengesprächen trauen darf. Die große Sommerhitze bei der Nachmittagsvorstellung heizt die Gäste noch zusätzlich auf.
"Eigentlich geht es beim 'Reigen' nur um Sex, Sex, Sex", empört sich eine mit teurem Schmuck behängte Dame der "besseren" Gesellschaft. "Geht es im Leben nicht immer nur um Sex?", antwortet ihr Begleiter mit feinem Sarkasmus. "Sex hat man vielleicht! Aber man spricht nicht dauernd darüber! Und schon gar nicht gehört das auf die Bühne! Das ist ja wie bei den Tieren!", schimpft sie weiter. "Aber hingesehen hast Du schon ganz genau, oder nicht? Du hast doch immer gewußt, worum es in der heutigen Vorstellung geht, meine Teuerste.", legt er nach. Statt einer Antwort wirft sie ihm einen vernichtenden Blick zu und schlürft weiter ihren Champagner.
Zur Zeit seiner späten Uraufführung 1920 höchst skandalträchtig, hat sich heute die allgemeine Aufregung um diesen erotischen Bilderbogen gelegt, das Interesse ist aber unvermindert lebendig, da sich die Menschen und ihre sexuellen Wünsche und Versuchungen niemals ändern.
Die ...
... Kritiker plaudern auch weit weniger über das Bühnengeschehen als über ihre Urlaubspläne und über den Ausklang des Premierentages. Es ist schließlich der 4.Juli. "Heute wäre ein großartiger Tag für ein Picknick im Freien und dann das Feuerwerk am Abend.", findet der Feuilletonist des Tagblatts. "Wir werden es doch hoffentlich beim Empfang nachher gut sehen!", hofft sein Kollege vom Neuen Kurier. "Die Aussicht von dort oben ist ja märchenhaft! Der Landeshauptmann kommt auch und die ganze Haute-Volée aus der Stadt!"
Aber die Festspiele bieten ja seit vielen Jahren auch alles auf, was an den großen Wiener Bühnen Rang und Namen hat. Und genau das will das verwöhnte Publikum auch in der Sommerfrische sehen. Und heuer zum 150 Geburtstag des Genius loci hat man sich besonders angestrengt!
So spielen Miguel Herz-Kestranek den Grafen, Petra Morzé die Schauspielerin und Katharina Straßer das "Süße Mädel".
Die entspannte Ferienstimmung, die schöne Landschaft, die gute Luft und nicht zuletzt das Gefühl, daß der Dichter selbst hier eine berühmte Sommerliebe erlebt hat, sorgen für eine ganz besondere Atmosphäre.
***
Jetzt nach der erfolgreichen Premiere lassen die Künstler und geladene prominente Gäste beim Empfang Dampf ab. Es ist sehr schwül. Ein Gewitter steht über der Bergwand. wo sind die Zeiten als es in der Sommerfrische noch kühl und angenehm war?
Eine kleine Herrengruppe steht auf der Aussichtsterrasse des Knappenhofs auf etwa 1000 m Seehöhe, die halbvollen Gläser mit ...