Der Reigen
Datum: 27.06.2025,
Kategorien:
Kunst,
... erfrischendem Grünen Veltliner vom Wagram in der Hand. Die Umgebung ist noch ganz genau so wie vor 100 Jahren, das stilvolle alte Berghotel aus der Zeit der Monarchie, das atemberaubende Panorama über das weite Tal ohne störende Industrieanlagen oder häßliche Bauten aus der jüngeren Zeit.
Die Herren reden sehr wohl über den Inhalt des Premierenwerks und seine animalische Auffassung von Sex.
"Was für eine ungeschminkte, ja brutale Darstellung der Sexualität!", kommentiert der Graf den "Reigen", "Und das Stück ist aktuell wie eh und je. "One night stands" sind ja immer noch sehr in."
Im vorletzten Wiener Fin-de-Siècle erleben dort zufällig aufeinander treffende Männer und Frauen aller sozialen Schichten vom Proletariat bis zur Aristokratie diesen "one night stand", der dem Zuschauer allerdings immer verborgen bleibt. Heute ist man da schon weit weniger standesbewußt. Und natürlich viel offener über soziale, ethische und Geschlechtergrenzen hinweg.
"Es gibt aber auch Aufführungen, bei denen die Schauspieler auf offener Bühne kopulieren!", entgegnet der Ehegatte.
"In jeder Paarung steckt Sehnsucht, Verführung, Enttäuschung und Verlangen – aber auch der Spaß, der zu diesem Liebesakt dazugehört.", ergänzt der Junge Herr.
'Der "Reigen" ist Schnitzlers Abrechnung mit der Doppelmoral und dem verlogenen Umgang mit der Sexualität; "ein Porträt einer ganzen Stadt und ihres Menschenschlags, wie er sich in einem bestimmten Zeitpunkt der Reife und Überreife auslebte". ...
... (Egon Friedell)', liest der Dichter aus dem Programmheft vor.
Da sieht der Graf plötzlich das süße junge Mädchen völlig nackt über die Bergwiese laufen. Ihre hüftlangen blonden Haare wehen hinter ihr her. Der stärker werdende Wind vor dem Gewitter umspielt die schlanke Figur. Ihre durchtrainierten Oberschenkel spannen sich in der Bewegung an, die festen Brüste schwingen, die kleinen Arschbacken geben den Blick auf die Spalte ungehindert frei.
"Wer ist das süße Mädel?" fragt der Graf die anderen. "Kennt ihr sie vielleicht?"
"Sie ist das süße Mädl!" zitiert der Ehegatte lächelnd Schnitzler. "'Sie ...? Sie ..., das süße Mädl!', wie schon Anatol es beschreibt. Einfach ein Mädel aus der Gegend, ein fesches!"
"Das ist jetzt, wie sagt Gabriele? 'Wo Sie nur die Ironie herhaben!!'", antwortet der Junge Herr. "Sie hat eine natürliche Anmut!", finde ich.
"Ich habe sie ja nicht gestern im Heu verführt, mein Lieber!", kontert der Ehegatte.
"Touché", grinst der Junge Herr.
Er denkt mit kaum verborgener Lust an das gestrige erotische Abenteuer mit der kleinen Schönheit vom Lande. Sie war beeindruckt, daß sich der jugendliche Held, Mitglied des berühmten Wiener Ensembles, mit ihr unterhalten wollte.
Er hat ihr einen größeren Geldschein in den offenherzigen Ausschnitt der Dirndlbluse gesteckt, ihr tief in die hellblauen Augen geschaut und geflüstert. "Du hast ja jetzt bald Schluß hier! Wir treffen uns um genau halbzwölf Uhr vor dem alten Heuschober."
Ihr strahlendes ...