Zugabe!
Datum: 05.10.2018,
Kategorien:
BDSM
Es war eine anstrengende und arbeitsreiche Woche gewesen. Hagen lag im Halbdunkel auf seiner Le Corbusier-Liege und entspannte sich bei einem Gläschen Whisky. Der größte Teil des Wohnzimmers war in Schatten gehüllt, nur ein kleiner Bereich vor dem offenen Kamin wurde von den darin lodernden Flammen erhellt. Genau dorthin, exakt in die Mitte seines Blickfelds, hatte er Helena platziert.
Aus halb geschlossenen Augen verfolgte Hagen den aufreizenden Tanz, den Licht und Schatten auf ihrer nackten Haut vollführten. Von Zeit zu Zeit nippte er an seinem Whisky und erfreute sich an den komplexen Aromen des 18 Jahre alten Single Malts. Den größeren Teil seiner Aufmerksamkeit widmete er aber der Musik, die über die Highend-Kopfhörer an seine Ohren drang. Sie übertönte mühelos das sanfte Knistern und Knacken der brennenden Holzscheite - wie auch die Störgeräusche, die Helena ungeachtet aller Gegenmaßnahmen noch zu machen im Stande war.
Verzückt lauschte er dem virtuosen Spiel des Pianisten und der nicht minder perfekten Begleitung durch das Orchester. Wie schon häufig wunderte sich sein analytischer Verstand, wie es mancher Musik scheinbar mühelos gelang, ihn auf einer tiefen, emotionalen Ebene anzusprechen, die ihm sonst kaum zugänglich war. Trotz seines leisen Bedauerns darüber, in seiner Jugend nie ein Instrument gelernt zu haben, war er andererseits auch froh, musikalisch ein nahezu kompletter Laie zu sein: Er befürchtete, dass durch eine zu intime Kenntnis der Musiktheorie ...
... seine naive und sinnliche Freude an der Musik vielleicht von einer intellektuellen und abstrakten Würdigung der dahinter stehenden kompositionstechnischen Leistung verdrängt werden würde.
Sein Job als Geschäftsführer einer Private-Equity-Gesellschaft beanspruchte beinahe exklusiv die rationale, linke Hälfte seines Gehirns. Wenigstens in seiner Freizeit wollte er die andere Seite seiner Persönlichkeit zu ihrem Recht kommen lassen, deren Impulse er im Alltag allzu oft unterdrücken musste. Die Manipulation der gegenläufigen Erwartungshaltungen gieriger Investoren und uneinsichtiger Eigentümer beherrschte er meisterhaft, aber das Spiel auf der Klaviatur ihrer Wünsche, Ängste und Eitelkeiten verschaffte ihm keine besondere Befriedigung. Die empfand er, wenn er sein Talent auf lohnendere Beute richten konnte, bei der sowohl die Herausforderung wie auch der im Erfolgsfall winkende Gewinn größere persönliche Genugtuung versprach. Und eben in Momenten wie diesem, in denen er die Früchte seines Erfolgs auskostete.
Er schloss die Augen und konzentrierte sich ganz auf die Musik, die ihn umbrandete. Nach einem langen Crescendo endete das Klavierkonzert im furiosen Finale mit einem triumphalen Tuttiakkord. In der nachfolgenden Stille drang ein gedämpftes Wimmern durch die gepolsterten Ohrmuscheln seines geschlossenen Kopfhörers und ließ ihn aufblicken. Wieder beglückwünschte er sich, dass er - seit er mit Helena zusammen war - eine Möglichkeit gefunden hatte, seine Freude an der Musik ...