1. Argonauta Kapitel 08-11


    Datum: 01.07.2019, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... seine sportlich wirkende Armbanduhr. „Eigentlich hätte er schon längst hier sein sollen", antwortete Fisher ratlos.
    
    „Vielleicht steckt er im Stau?", fragte Melina. „Als ich vorhin ankam, erzählten sie im Radio, dass es in der Nähe des Hafens einen Autounfall gegeben habe und alle Umleitungen ziemlich verstopft seien."
    
    „Könnte möglich sein."
    
    Plötzlich ertönte aus der Ferne eine laute und leicht hilflos klingende Stimme. „Prof. Fisher, sind Sie hier?" Offenbar ein Mann.
    
    Die vier blickten gespannt von der Reling des Arbeitsdecks nach unten und tatsächlich, am Kai stand, von hier oben aus beinahe ameisenhaft klein wirkend, eine Männergestalt, neben sich zwei riesengroße und schwer wirkende Rollkoffer stehend.
    
    „Sind Sie unser Fotograf?", fragte Fisher nach unten.
    
    Der junge Mann hielt seine Hände vor seinen Mund und formte sie zu einem Trichter. Laut schrie er nach oben: „Ja, der bin ich." Er sprach mit einem ziemlich starken deutschen Akzent und klang als wäre er ziemlich außer Puste. „Sind Sie David Fisher?"
    
    „Ja, der bin ich. Warten Sie, ich komme runter zu Ihnen und helfe Ihnen bei Ihren Koffern."
    
    Mit schnellen Schritten eilte Fisher zum Fallreep und verschwand bald darauf aus dem Blickfeld der drei Frauen.
    
    „Wusstest du etwas davon?", fragte Melina neugierig die Schiffsärztin.
    
    „David hat's mir auch gerade erst erzählt", antwortete Claire. „Offenbar wohl wirklich ein Passagier in letzter Minute."
    
    Wenig später tauchte wieder Fishers Kopf auf, als ...
    ... dieser die Gangway nach oben gestapft kam. Bald darauf wurde auch der Rest seines Körpers wieder sichtbar. In der Hand hielt er einen ziemlich schweren Koffer. Hinter ihm stapfte der Fotograf, ebenfalls einen schweren Koffer tragend, die Gangway herauf.
    
    „Mädels, darf ich euch mit unserem Fotografen bekannt machen. Das ist ... "
    
    Fisher kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden. Als Julia das Gesicht des Unbekannten nun aus der Nähe sehen konnte, wurde sie kreidebleich. Es war gar kein Fremder. Das saphirblaue Augenpaar und die Grübchen auf den Wangen kannte sie nur zu gut. Unweigerlich klappte ihr Unterkiefer nach unten.
    
    Ungläubig sagte sie: „ ... Florian?"
    
    Kapitel 10: Vermisst
    
    Ganz nervös trommelten die knochigen Finger der Frau auf den gedeckten Speisetisch. An der Wand schwang das Pendel der geschmackvollen viktorianischen Wanduhr gleichmäßig hin und her. Vor nicht ganz fünf Minuten hatte sie zur vollen Stunde geschlagen. Lydia Singer seufzte laut hörbar auf. Das Essen war inzwischen viel zu kalt. Der Wein viel zu warm.
    
    Lydia fuhr sich fahrig durch ihr ergrautes Haar. Bis vor zwei Jahren hatte sie aus Eitelkeit noch nachgeholfen und ihr Haar regelmäßig mahagonibraun gefärbt. Doch nun, mit neunundfünfzig Jahren, verzichtete sie darauf, denn ihr Alter ließ sich ohnehin nicht mehr verbergen. Schon seit einer ganzen Weile war ihr Bindegewebe nicht mehr so fest wie früher, alles hing ein bisschen und auch so rank und schlank wie einst war sie nicht mehr. Fältchen ...
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