1. Argonauta Kapitel 08-11


    Datum: 01.07.2019, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... nahm dieArgo Fahrt auf. Sie sah, wie die Schiffsschrauben das brackige Wasser des Hafens kräftig durchrührten und zum Schäumen brachten. Träge und langsam entfernte sich das Schiff von der Kaimauer. Allmählich wurde dieArgo schneller und Julia sah zu, wie die Umrisse der Stadt bald kleiner wurden und sich immer weiter entfernten, obwohl natürlich streng genommen sie es war, die sich mitsamt dem Schiff von den Häusern entfernte.
    
    Während Julia dabei zusah wie ihr altes Leben langsam aber stetig davonglitt, schweiften ihre Gedanken zu ihrem zukünftigen Leben ab. Was es wohl bringen mochte? Eines war jedenfalls sicher, es fing schon einmal prima an.
    
    Ein dicker, schwerer Stein bildete sich in ihrer Magengegend als sie an die große Überraschung des Nachmittags denken musste. Florian war der ominöse Fotograf, der sie während der gesamten Reise begleiten würde -- ausgerechnet die Person, mit der sie am allerwenigsten auf einem Boot, umgeben von nichts als Wasser, sein wollte. Wut stieg in ihr auf und unweigerlich klammerten sich ihre Hände fester um die Reling, bis die Knöchel weiß hervortraten.
    
    Verdammter Arsch!, dachte sie,Wieso muss ausgerechnetder dieser bescheuerte Fotograf sein?
    
    „Herr im Himmel", fluchte sie leise, obwohl sie keineswegs gläubig war, „was um alles in der Welt habe ich dir denn getan, dass du mich derart abstrafst? Hab' ich denn nicht wirklich schon genug durchmachen müssen? Erst nimmst du mir die Liebe meines Lebens und jetzt sperrst du mich ...
    ... mit diesem Vollarsch auf dieser gottverdammten Nussschale ein!"
    
    Insgeheim, so hatte Julia die Vermutung, musste Gott,falls es ihn wirklich geben sollte, wohl aus irgendeinem Grund eine perverse Freude dabei empfinden, wenn er die Menschen leiden sehen konnte.
    
    Das Schiff durchquerte die Moreton Bay nun mit konstanter Geschwindigkeit. Die Küstenlinie wurde immer kleiner und kleiner, bis sie nur noch ein ferner Streifen am Horizont war. Zu ihrer Linken tauchte nun die Silhouette einer Insel auf.
    
    St. Helena Island. Sie war eine von gut dreihundertfünfzig geschützt in der pazifischen Bucht liegenden Inseln, von denen die bekannteste InselMoreton Island war, die im Augenblick aber noch irgendwo weiter nördlich außer Sichtweite lag.
    
    St. Helena war ein kleines, ja geradezu winziges Inselchen. Die untergehende Sonne beschien eine eingefallene Ruine und brachte die alten, moosbewachsenen Gemäuer zum Glühen. Es waren die Überreste einer einstigen Sträflingssiedlung wie man sie in Australien zuhauf finden konnte -- über Jahrzehnte hinweg hatten die australischen Kolonien dem britischen Empire als weit von der Heimat entfernt gelegenes, riesiges Freiluftgefängnis gedient. Beinahe jede Stadt und jede größere Siedlung auf dem australischen Kontinent war einst in ganz ähnlicher Weise als Sträflingskolonie gegründet worden. Tagsüber brachte die Fähre geschichtsinteressierte Urlauber und Besucher auf die Insel. Doch nun, wo die Ruinen verlassen waren, wirkten sie im Dämmerlicht ...
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