1. Argonauta Kapitel 08-11


    Datum: 01.07.2019, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... betrachtete, umso größer wurden seine überraschten Augen. Das Bild war eine ziemlich alte, stark verblasste Fotografie. Sie zeigte ein Segelschiff, eine Bark, auf deren stählernen Rumpf in großen Lettern das WortDanaë aufgemalt war.
    
    Erfreut stellte Jürgens fest, dass Singer erkannte, was das Foto zeigte. „Sie erkennen es?", fragte er neugierig.
    
    „Natürlich. Sie meinendiese Danaë. Das Schiff", antwortete Singer lächelnd.
    
    „Exakt. Was können Sie mir darüber erzählen?", fragte Jürgens.
    
    „Nun", sagte Singer, der leuchtende Augen bekam. In der Tat hatte er schon von der legendärenDanaë gehört. Beinahe jeder in seinem Institut kannte die sagenumwobene Geschichte um das Schiff. Unzählige Male hatte er die Story seinen Studenten im Hörsaal erzählt. Aber das war nur ein Mythos.
    
    „Ich fürchte, dass ich Sie abermals enttäuschen muss. Das Schiff hat es wahrscheinlich niemals gegeben. Wir haben es mit einer wilden Verschwörungstheorie zu tun, nichts weiter. Eine von vorn bis hinten erfundene Geschichte, wenngleich sie sich schön anhört. Zu schön, um wahr zu sein, wenn Sie mich fragen."
    
    „Erzählen Sie sie mir, bitte."
    
    „Also, da muss ich ein bisschen weiter ausholen."
    
    „Nur zu, Herr Professor."
    
    „Wir müssen dazu in die zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts zurückgehen, nach New South Wales. 1869 war man in einem Gebiet etwa vierhundertachtzehn Kilometer südwestlich von Sydney südlich derNarraburra Hills nahe des kleinen Örtchens Temora auf Gold gestoßen. Es hat ein ...
    ... bisschen gedauert, aber zehn Jahre später setzte ein wahrer Goldrausch ein. Waren zuvor kaum zweitausend Bewohner, vorwiegend deutsche Auswanderer, die als Farmer ihr Glück versuchten, in Temora heimisch gewesen, stieg die Zahl der Einwohner innerhalb kürzester Zeit auf über zwanzigtausend an. Von überall her strömten die Abenteuer und ließen sich vom Glanz des Goldes und der Aussicht, reich zu werden verführen. Die Minen um Temora erwiesen sich als sehr ergiebig. Allein derMother Shipton Nugget wog über dreihundertacht Unzen, fast neun Kilogramm. Wirklich reich wurden die meisten trotzdem nicht. Kaum zwanzig Jahre später waren Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts die Goldadern versiegt und Temora versank wieder in der Vergessenheit. Heute leben nur noch etwa viertausend Menschen in dem kleinen Örtchen."
    
    Singer schwieg für einen kurzen Augenblick und kostete die Stille im Raum aus. An dieser Stelle machte er immer eine Kunstpause und erfreute sich an den gespannten Reaktionen seiner Studenten. Auch der alte Mann ihm gegenüber schaute ihn ziemlich interessiert an.
    
    Schließlich fuhr Singer fort: „Das ist jedenfalls die offizielle Version der Geschichte, so wie sie in den Annalen der Bücher steht."
    
    „Und die inoffizielle?", fragte Jürgens.
    
    „Ein paar Glücksuchende blieben in Temora und wollten nicht aufgeben. Sie waren davon überzeugt, dass tief im Boden noch viel mehr Gold verborgen sein musste."
    
    „Also haben sie weiter gesucht?", fragte Jürgens.
    
    Singer nickte mit ...
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