1. Hoch-Rhöner


    Datum: 26.07.2019, Kategorien: 1 auf 1,

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    Der Hoch-Rhöner
    
    Es würde noch ungefähr eine Stunde dauern, bis Paul sein heutiges Ziel erreichen würde. Aber schon jetzt war er erschöpft und müde und seine Füße schmerzten. Dabei war er erst heute morgen aufgebrochen und es war der erste Tag seiner Wanderung. Um 7.30 Uhr hatte er den Startpunkt erreicht und war losgegangen. Wochen- und Monatelang hatte er sich darauf gefreut. Endlich dem Trott entkommen. Nur laufen - ein Schritt nach dem anderen. Nichts anderes war wichtig. Nichts anderes war sein Ziel. Der Weg war das Ziel.
    
    Seit einigen Jahren schon hatte er es sich zur Angewohnheit gemacht, jedes Jahr wenigstens eine Woche wandern zu gehen. Früher hatte er Urlaub mit der Familie gemacht. Aber seine Kinder waren erwachsen und hatten kein Interesse mehr an gemeinsamen Urlauben und seine Frau führte sowieso ihr eigenes Leben und interessierte sich nicht dafür, was er machte. So hatte er vor ein paar Jahren angefangen, wandern zu gehen. Keine exotischen Ziele, sondern Fernwanderwege, die unkompliziert zu erreichen waren und in aller Regel auch nicht überlaufen sind. Hier hatte er seine Ruhe und konnte abschalten. Nur das Laufen zählte. Ein Schritt nach dem anderen. Und Abends kam man irgendwo an, hatte - wenn man Glück hatte - eine heiße Dusche, bekam etwas zu essen und konnte schlafen. ...
    ... Am nächsten Morgen warteten dann die nächsten Schritte.
    
    Heute war er also losgegangen. Gestern war er mit dem Zug in Bad Kissingen angekommen und hatte in einer kleinen Pension übernachtet. Die nächsten sechs Tage ging es nun über den Hoch-Rhöner Fernwanderweg. Einen Schritt nach dem anderen - es gab nichts anderes. Sein ganzes Gepäck hatte er in einem kleinen Rucksack, der gerade mal fünf Kilo wog. Im Laufe der Jahre hatte er gelernt, sein Gepäck immer mehr zu reduzieren. Aber jetzt taten ihm auch die fünf Kilo auf seinen Schultern weh. Es war heute ein schöner Frühlingstag gewesen. Aber schöne Tage sind in der Regel anstrengende Wandertage. Nun war er müde, verschwitzt und hungrig und freute sich darauf, bald anzukommen. Seine erste Übernachtungsstation war eine Jugendherberge. Er liebte es, dort zu übernachten. Sie waren meist einfach, unkompliziert und günstig. Es störte niemanden, wenn man beim Essen eine Jogginghose und Hausschuhe trug. In einem großen Hotel hatte es ihn immer gestört, wenn vorzugsweise Pauschaltouristen so am Buffet erschienen. Aber hier passte es. Eben einfach und unkompliziert. Noch über den letzten Anstieg und dann würde er endlich da sein.
    
    Es war immer ein euphorisches Erlebnis, wenn er das Tagesziel erreichte. Im Eingangsbereich einer Jugendherberge gab es immer andere Gäste, die erkannten, was man gemacht hatte und deren anerkennende Blicke er spüren konnte. Am Empfang wurde er freundlich begrüßt und hatte schnell die Zimmerkarte und die ...
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