1. Therapie


    Datum: 03.10.2019, Kategorien: Kunst,

    ... Soll deine Sachen wegbringen?“
    
    Marianne nickt siegesgewiss und ruft ihrem Klaus noch hinterher:
    
    „Vegisch abbe net, dosch’d dir moi Eintrittschgoild widdergebbe loscht, Kläuschele!“
    
    Ich verdrücke mich lieber aus dem Bereich des Picknick-Bildes. Das wird jetzt von Marianne beherrscht. Jetzt erst wirkt es richtig echt und authentisch. Ein echter Monet.
    
    In der gegenüberliegenden Ecke ist „Die nackte Maya“ an der Wand aufgehängt und davor steht ein Diwan mit Vorhängen. Erst einmal verschnaufen und Abstand gewinnen. Therapie auswerten. Erfolge? Kann ich noch nicht feststellen, bis auf die Höflichkeitsfloskel des Kustos eigentlich wieder nur Abweisungen. Zu dünn bin ich also. Hmm. Puh!
    
    Ich liege lang auf der linken Hüfte, schiebe mir eine Hand unter den Kopf und kraule mir mit der anderen Hand die Haare.
    
    Ich denke nach und will eigentlich schon aufgeben. Fehlschlag.
    
    Auf einmal versammeln sich immer mehr Leute vor meinem Diwan. Ich höre bewundernde Stimmen. „Wie aus dem Bild geschnitten!“ und: „Ist das schön!“
    
    „Das müsste der Goya gleich noch einmal malen, eins davon würde ich sofort kaufen!“
    
    „Mir wäre das Original lieber.“
    
    „Was, das Originalbild?“ „Nein, das neue Original-Modell!“
    
    „Schade, Goya ist ja leider schon tot.“
    
    Und dann sagt da Einer noch:
    
    „Das da würde ihn bestimmt wieder von den Toten auferstehen lassen.“
    
    Der Satz ist Blödsinn, das ...
    ... weiß ich ja, aber die Stimme!
    
    Die Stimme kenne ich doch! Die würde MICH jederzeit von den Toten auferwecken.
    
    Das ist doch...
    
    „Das ist doch der Jürgen! Der Jürgen Mausbacher!“
    
    Und der ist auch noch selber nackt!
    
    Also keine Probleme mit: „Ich kann dich erpressen, wenn du nicht…“
    
    Wahrscheinlich ist er der einzige nackte Mann hier, der nicht aus Pappe, Bronze oder Marmor ist. Und der ist ausgerechnet der Jürgen. Mir wird schwindelig.
    
    Jetzt kommt er ganz nahe zu mir heran. Er lächelt mich an. ER LÄCHELT MICH AN!
    
    „Na das ist aber eine Überraschung, Frau Rei…“
    
    „Ich heiße Jasmin“, sage ich halblaut. „Ist eine peinliche Überraschung, stimmts? Ich werde nicht darüber reden, versprochen.“
    
    „Ich würde mit dir sehr gerne darüber reden, Jasmin. Über noch viel mehr, als das hier, wenn du willst. Und nicht nur reden. Ich werde ja gleich verrückt! Bist du eine wunderschöne Frau, wenn du deine Haare nicht zum Knoten bindest, keinen Hosenanzug trägst und nicht meinem Blick ausweichst. Wollen wir beide jetzt die ganze Ausstellung gemeinsam durchstöbern, so nackt und frei und offen, wie wir sind?“
    
    Ich nehme seine ausgestreckte Rechte, lasse mir von ihm galant auf die Beine helfen und sage:
    
    „Ich ernenne dich zu meinem zweiten Lieblingsmäuschen. Welches Parfüm nimmst du da bloß? Pass bloß auf, dass ich dich nicht gleich hier vernasche, hi, hi“
    
    Ich bin geheilt, juchhu!. 
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