1. Dorfleben in der Prignitz


    Datum: 12.10.2019, Kategorien: Romantisch

    ... Chic an. Mit billigen Plaste-Klogs, Jogginghose und schmuddeligem T-Shirt versuchte ich das Haus, den Hof und den Garten auf Vordermann zu bringen und in Schuss zu halten. War mein tägliches Pensum geschafft oder auch in Pausen setzte ich mich gerne in den Schatten der alten Obstbäume in unserem Garten und frönte meiner Leidenschaft, dem Lesen.
    
    So auch an dem einen sehr warmen Junivormittag, an welchem mein innerer Fokus sich neu justierte und alles begann. Die Sonne schien erbarmungslos herab. Kein Wölkchen am Himmel hinderte sie daran. Kein Lüftchen verschaffte Linderung. Selbst den Vögeln war es zu warm zum Zwitschern. Nur die Grillen ließen sich bei ihrem Konzert nicht stören. So hatte ich mich auch schon der obligatorischen Jogginghose und dem schmutzigen weißen T-Shirt entledigt, während ich im Garten schwer schuftete. So grub ich mühevoll nur mit einem pinken Bikini und meinen Klogs bekleidet, ein verwildertes Beet um und entfernte das Unkraut. Es war ja sonst niemand da. Nachdem das Pensum geschafft war setzte ich mich in das kühle Gras im Schatten des Apfelbaums, der am Rande des Beets stand. Ich griff nach der Wasserflasche. Nach gierigen Schlucken, die meinen ersten Durst stillten, nahm ich das blaugebundene Buch in die Hand - Bertolt Brecht - Liebesgedichte. Schnell war ich in "Über den Gebrauch gemeiner Wörter" vertieft.
    
    Sonett Nr. 15 (Über den Gebrauch gemeiner Wörter) Mir, der ich maßlos bin und mäßig lebe Gestattet, Freunde, es euch zu verweisen Mit ...
    ... rohen Wörtern so um euch zu schmeißen Als ob es daran keinen Mangel gäbe! Beim Vögeln können Wörter Lust erregen: Den Vögler freut es, daß das Vögeln "vögeln" heißt. Wer mit dem Wort zum Beispiel um sich schmeißt Soll sich auf löchrige Matratzen legen. Die reinen Vögler sollte man nur henken! Wenn sich ein Weib mitunter auspumpt: gut. Den Baum spült sauber keine Meeresflut! Nur nicht dem Geiste eine Spülung machen! Die Kunst der Männer ist's: vögeln und denken. (Der Männer Luxus aber ist's: zu lachen)
    
    Aus der Zeit meines Germanistik-Studiums hatte ich mir die Freude an inhaltsreicher lyrischer Sprache bewahrt. Auch die situationsbedingte Deutlichkeit der Sprache reflektierte sich in meiner eigenen Intimität. Nichts empfinde ich als ab törnender als einen Partner, der stumm keuchend in meinem Unterleib herumhämmerte. Ich sinnierte darüber, dass auch mein eigener Mann im Verlaufe unserer 20 jährigen Ehe immer einfallsloser und schweigsamer geworden zu sein schien. Schon immer sprengte es beim Sex die Grenzen meiner Hemmungen, wenn ich als "Hure" und "Nutte" betitelt wurde, während gleichermaßen mein ganzer Körper hemmungslos nuttig agierte. In den ersten Ehejahren ging ich oft nur mit Strümpfen und ohne Slip unter einem streng geschnittenen Rock mit meinem Mann aus. Es aktivierte meine Leidenschaft, wenn er mir dann "meine begehrte Hure" ins Ohr flüsterte und seine Hände unter den Rock auf Erkundungstour schickte. Diese situative Eindeutigkeit der Sprache befreite meinen Geist ...
«12...678...41»