Am Scheideweg
Datum: 26.11.2019,
Kategorien:
Hausfrauen
... sein, und wir werden mit dir das übliche Bewerbungsgespräch führen. Bitte denk daran, mich im Termin nicht zu duzen. Es muss in der Bank zum aktuellen Zeitpunkt noch keiner wissen, wie gut wir uns kennen. In Ordnung?"
„David, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich habe dich offensichtlich total falsch eingeschätzt. Du verstehst aber bestimmt, dass ich dein Angebot mit meinem Mann besprechen muss. Ich werde ihn heute Abend anrufen, und ihn um seine Meinung bitten", erklärte Karin sachlich.
In einem genauso sachlichen Ton bestätigte David: „Ich hoffe, dass du es bist, die die finale Entscheidung treffen wird und nicht dein Ehemann. Ich wette, dass er es dir ausreden möchte, weil er nicht will, dass du mit mir zusammenarbeiten wirst. Er wird wollen, dass du in deinem, von ihm bewachten Käfig sitzen bleibst, weil sein männlicher Stolz es nicht zulassen will, dass du eine für dich äußerst positive Entscheidung über seinen Kopf hinweg triffst. Er hat Angst davor, dass du selbstständig wirst. Du hast diese Karriere verdient, glaube mir."
Nach einer kurzen Gedankenpause, in der keiner der beiden etwas sagte, fuhr er fort: „Und nun lass uns etwas essen. Ich habe Hunger."
Während des Mittagessens machte David keine Anzeichen, Karin Avancen zu machen. Sie unterhielten sich über Gott und die Welt -- und letztendlich auch über Karins Ehe. David hatte sie durch geschickte Fragen dazu gebracht, dass sie ein wenig über die Stärken, aber auch über die Schwächen ihres Ehemanns ...
... erzählte. Natürlich kommentierte er die Stärken positiv, und bewertete die Schwächen wohlwollend. Selbstverständlich verstand er es, seine Stärken in das Gespräch einfließen zu lassen, und natürlich stand er im Vergleich zu Karins Mann besser da. Aber dies zu bemerken, überließ er Karin. Dass sie ihm auf den Leim gegangen war, meinte er daran zu erkennen, dass Karin manchmal wissend mit dem Kopf nickte.
Eine dreiviertel Stunde später brachte David die Frau, die sich anschickte, wieder eine -- vielleicht seine -- Freundin zu werden, zurück zu ihrem Arbeitsplatz. Er hielt ein paar Hundert Meter von der Bank entfernt, beugte sich zu Karin rüber, und fragte sie: „Bekomme ich einen kleinen Kuss zu Abschied?" Karin lächelte ihn an, und sie fanden sich wenige Augenblicke später für etliche Sekunden in einem zärtlichen Kuss vereint.
Das erste Telefonat seit der Trennung.
Karin war nervös. Gleich würde sie das erste Mal, seitdem Walter sie verlassen hatte, mit ihm telefonieren. Je näher sich die Uhrzeit halb zehn näherte, desto mehr wurde ihr bewusst, dass sie ihren Ehemann schon wieder betrogen hatte. Wie sollte sie ihm erklären, dass sie sich erneut mit David getroffen hatte, und wie sollte sie ihn um seine Meinung zu Davids Jobangebot bitten? Was konnte sie ihm erzählen, dass für sie als seine Ehefrau sprach? Er hatte ihr untersagt, sich für die Lügen und den begangenen moralischen Verrat an ihm und an ihrer Ehe zu entschuldigen.
Punkt 21 Uhr 30 nahm sie ihr Smartphone ...