1. Am Scheideweg


    Datum: 26.11.2019, Kategorien: Hausfrauen

    ... zur Hand, und wählte seine Rufnummer. Sie hörte das Freizeichen vier-, fünfmal. Dann nahm er endlich das Gespräch entgegen und begrüßte sie. „Hallo Karin, ich freue mich, dass du anrufst. Wie geht es dir?"
    
    Walter konnte ihre Nervosität durch das Telefon spüren. Nach einer gefühlten Ewigkeit von nur ein paar Momenten sprudelten die Worte aus Karin heraus. „Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll, Walter", begann sie die Konversation. „Ich will keinen Neuanfang mit David. Als er mich vor einigen Wochen das erste Mal anrief, um sich mit mir auf einen Kaffee zu verabreden, war ich einfach nur neugierig zu erfahren, wie er sein Leben seit unserer Trennung gestaltet hatte. Wir haben nur geredet, uns unterhalten. Da war nichts Anstößiges dabei. Dass musst du mir glauben. Und dann kam es nach ein paar Wochen zu diesem einen Kuss, den du gesehen hast. Ich weiß nicht, warum ich ihn zugelassen habe. Es fühlte sich so verboten an, aber auch so vertraut. Kannst du das vielleicht ein bisschen verstehen?"
    
    „Nein, das kann ich nicht!", erwiderte Walter bissig. „Du machst dir selbst etwas vor. Wenn eure Treffen nichts Besonderes waren, warum hast du mir davon nichts erzählt? Und warum hast du zu deinen Dates mit diesem Typen deinen Ehering versteckt?"
    
    Traurig versuchte Karin ihr Fehlverhalten zu begründen: „Das waren keine Dates. Ich wollte nie, dass es so weit kommt. Ich war mir sicher, dass ich ihn auf Distanz halten kann. Den Ring habe ich abgenommen, weil ich mich nicht mit ihm ...
    ... über unsere Ehe oder über dich unterhalten wollte. Er sollte von uns nichts erfahren. Ich weiß, diese Begründung muss für dich ziemlich konstruiert klingen, aber ich habe keine Bessere. Mit dem Kuss hat er mich überrumpelt. Ich war einfach dumm. Je länger diese wirklich rein platonische Verbindung mit David andauerte, desto schwieriger wurde es für mich, mich dir anzuvertrauen.
    
    Noch in der Nacht, in der ich dich durch meine Handlungen dazu getrieben hatte, mich zu verlassen, habe ich David sofort angerufen, und ihm gesagt, er solle mich nie wieder kontaktieren. Aber er hat mich genötigt, mich mit ihm noch einmal zu treffen, und mit ihm zu reden. Gleichwohl stellte sich dieses Meeting als ein ganz harmloses heraus. Es war fast so etwas wie ein Bewerbungsgespräch. Er hat mir eine Stelle in seiner Bank angeboten. Ich kann Leiterin des Kreditbereichs werden, und dadurch fast doppelt so viel verdienen wie bislang. Kannst du dir das vorstellen? Er hat mir hoch und heilig versprochen, dass an meiner Einstellung keine Bedingungen oder Erwartungen seinerseits geknüpft sind. Ich muss das ganz normale Bewerbungsverfahren durchlaufen. Dennoch, ich will das Angebot nicht ohne deine Zustimmung annehmen."
    
    Nun war es an Walter eine ganze Weile zu schweigen. Nachdem er seine Gedanken geordnet hatte, sprach er in einem ruhigen und besonnenen Tonfall, „Ich hatte dir mitgeteilt, dass ich einen Monat Auszeit von unserer Ehe brauche, um dir und mir Gelegenheit zu geben, uns unserer Gefühle ...
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