Sterne
Datum: 09.12.2019,
Kategorien:
Romantisch
... gehofft, sie würde da sagen. Nach dem war mir auch, und ich wollte keine zwei Flaschen öffnen. Ich brachte ihn und die Gläser aus der Küche. Sie wühlte kurz in ihrer Tasche.
"Wollen wir denn noch an dem anderen Stück arbeiten?", versuchte ich den weiteren Ablauf des Abends abzuschätzen.
"Nein. Das kann ich jetzt nicht mehr. Deine alten Songs... sind wahnsinnig gut. Aber das eben, das war unser Sound. Das war ein einziger, langer Orgasmus für mich. Oder vier davon."
Ihr Gesicht war völlig verändert, weich, offen, total tiefenentspannt. Ja, das mit dem Orgasmus kam hin. So ähnlich hatte sich das für mich auch angefühlt. Fehlte eigentlich nur...
Sie zog ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche, mit dem Feuerzeug, was sie wohl nicht gleich gefunden hatte, zog zwei Kippen raus. Steckte die erste an und stopfte sie in meinen Mund. Bei der Probe hatte sie nicht geraucht.
"Kannst du Gedanken lesen?"
"Nicht direkt. Ich fühle manchmal, was andere fühlen. Wenn es sehr stark ist. Meine Mutter kann das auch. Sie versteht es als eine Form von Intuition, eine Sofortinterpretation von tausenden gleichzeitig ankommenden Körpersignalen des anderen. Ich bin mir nicht sicher, wie es zustande kommt. Ihre Erklärung könnte aber stimmen."
"Und deshalb zeigst du deine eigenen Gefühle nicht?"
"Ja, ich blende mich aus. Nicht nur wegen der Gefühle der anderen, sondern oft nur der Klarheit halber. Du verstehst, was ich meine?"
Ich nickte. Wieder, rational war das nicht auf zu ...
... bröseln. Und doch wusste ich exakt, wovon sie sprach.
Mir wurde etwas schwindelig. Das war die Zigarette. Die erste seit zehn Jahren. Ich zuckte innerlich mit den Schultern. Das konnte mich nun nicht im Mindesten tangieren. Normal war das alles nicht mehr.
"Wird Lippe das spielen können?", wollte sie wissen.
"Ja, sollte er ohne weiteres können. Ich achte drauf, es nicht mit meiner Technik zu komplizieren."
"Tu das nicht. Wenn er es nicht kann, spielst du es eben."
"Und wer spielt es dann on Stage?"
"Na du."
"Ich bin vierundfünfzig. Ich kehre nicht mehr auf die Bühne zurück."
"Doch, das wirst du."
Ja, wenn sie das wollte, würde ich das tun. Das war mir völlig klar. Es machte keinen Sinn, ihr zu widersprechen.
"Du kannst Lippe nicht einfach rausschmeißen. Es ist doch auch seine Band."
"Nein, das ist sie nicht. Nicht mehr. Und wir brauchen ihn nicht rauszuschmeißen. Er wird von selbst gehen."
Auch damit konnte sie Recht haben.
"Zeigst du mir die Sterne? Vorhin war der Himmel ganz klar."
Nichts lieber als das.
Ich erklärte ihr die Limitationen der visuellen Observation und zeigte ihr einige Objekte, die trotzdem beeindruckend genug aussahen, wie Kugelsternhaufen und den Saturn, der gerade ganz gut zu sehen war. Hinterher noch welche von meinen Fotos. Wie unglaublich gut es tat, auch das mit ihr teilen zu können. Ich fühlte mich so völlig und vollständig angenommen, wie noch nie in meinem Leben.
Ja, ich reagierte vor allem auf das hier ...