1. Sterne


    Datum: 09.12.2019, Kategorien: Romantisch

    ... sphärischen Akkord der das Intro einläutete, immer noch in Dunkelheit. Es wurde stiller in der Halle, obwohl noch viele vom Getränkeholen zurückkamen und ein Teppich aus Stimmen nur langsam von Davids lauter werdenden Keyboard überlagert wurde.
    
    Wir hatten trotzdem bereits ihre Aufmerksamkeit. Jetzt kam mein Part. Mittlerweile konnte ich mit dem Effektgerät umgehen, hatte alle von mir gewünschten Sounds minutiös einprogrammiert. Die Sequenz begann mit einem verspielten Gitarrenintro, das sich um Davids Akkorde rankte, mit viel Echo, eine Melodie, die sich langsam von irgendwoher einfand, sich fokussierte, konzentrierte, an Macht gewann.
    
    In den Hintergrund rückte, als der Spot von oben anging und Carol erfasste, die zu singen begann. Das Wesen vom anderen Stern. Jeden Einzelnen mit ihrer überirdischen Erscheinung und Stimmgewalt erreichte und durchdrang. Ich konnte nur die ersten Reihen halbwegs erkennen, aber der Gesichtsausdruck völliger Verblüffung und Faszination lag auf fast allen von ihnen.
    
    Sie sog an dem Publikum, zog alles auf sich, alles an sich heran, um dann mit dem Einsetzen von Schlagzeug und Drums in wirrem Lichtgewitter die Erlösung in den stampfenden Rhythmus freizugeben, der schon die ersten mitriss, dann mehr, immer mehr.
    
    Alle Nervosität war wie weggeblasen. Der erste Jubelsturm eine beiläufige Genugtuung. Nach drei Stücken kochte die Halle. Wir hatten sie. Und dann kam "Soon". Es war fast wie beim ersten Mal, als wir das Stück zusammen ...
    ... ausprobiert hatten. Wir waren von unserer eigenen Musik überwältigt. Und nicht nur wir.
    
    Überrascht sah ich im Hintergrund vor der Tür zum Backstage-Bereich fast alle Musiker der großen Bands, für die wir ja als Support fungierten. Niemand beachtete sie. Die davor postierten Ordner hätten genauso gut wegbleiben können. Sie hatten ihre Fanbase, also brauchten sie sich darüber keine Gedanken machen, dass wir ihnen die Show stahlen. Aber sie wollten uns, unsere Show sehen. Wir waren kein niemand mehr.
    
    Der Rest des Auftritts war ein einziger Rausch. Die wievielte Zugabe war es, die dritte, die vierte? Ich hatte noch nie ein Publikum so abgehen sehen, weder von der Bühne aus, noch mitten unter ihnen als Zuschauer. Wie in Trance umarmte und küsste ich Carol, nachdem wir endgültig die Bretter, die jetzt auch unsere Welt bedeuteten, verließen.
    
    Von den Musikern der nun folgenden Band abgeklatscht und beglückwünscht, von Roadies und Ordnern mit Mühe wieder Backstage geführt, denn die Menge wollte uns auch ohne Musik gar nicht gehen lassen, ein völlig irres Phänomen. Das waren keine Autogrammjäger, einfach nur Menschen, die ihre Begeisterung über das Erlebte zeigen wollten, und uns nahe sein.
    
    Das war jenseits allem, was ich jemals erlebt hatte. Carol und ich wechselten einen schnellen Blick. Ja, das war ein neunzigminütiger Orgasmus gewesen. Was für ein Brett. Danica schloss uns in ihre Arme, Champagner wurde geöffnet und langsam, ganz langsam sank ein, was gerade passiert war. Wir ...
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