1. Auseinandergelebt


    Datum: 15.12.2019, Kategorien: Sonstige,

    Schleichend, auf leisen Sohlen, hatte es sich in unserer Beziehung ausgebreitet. Ein lähmendes Gift hätte nicht erbarmungsloser zuschlagen können. Der Alltag, Arbeit und Karriereleiter, hatte sich Stück für Stück mehr Platz verschafft, die menschlichen Gefühle konterkariert. Wenn nicht der Zufall Pate gestanden hätte...... .
    
    Angespannt warteten alle Beteiligten auf die Verkündung des Urteils, das Gremium tagte schon mehr als zwei Stunden hinter verschlossenen Türen. Obwohl ich geständig gewesen war, schon bei der Befragung durch die Beamten hatte ich den Einbruch zugegeben, wurden eine Unmenge an Zeugen angehört. Der Verhandlung war ich nach meiner Aussage nicht mehr gefolgt, hatte alles Revue passieren lassen, das 'Warum' ich überhaupt hier saß.
    
    Vor neun Monaten, der neue Oberarzt hatte schon drei Tage früher seinen Dienst zur Einarbeitung angetreten, erlaubte ich mir einen früheren Feierabend. Nach zwei Tagen wusste ich, ich kann ihm bedenkenlos die Chirurgie überlassen. Da ich Claudia noch in ihrer Anwaltskanzlei vermutete, vor siebzehn Uhr war sie wochentags nie Daheim, wollte ich mich auf der Couch in meinem Arbeitszimmer ein wenig entspannen. Federnd leicht, wie es schon immer meine Art gewesen war, lief ich geräuschlos die Stufen ins Obergeschoss, als ich ein Wimmern vernahm. Vorgebeugt saß sie vor ihrem Laptop und rieb sich die Augen. Nur durch ihre Haltung bedingt, gab mir der rückwärtige Spiegel einen Einblick auf die aufgerufene Webseite. Die biologische ...
    ... Uhr konnte doch noch nicht abgelaufen sein, wir waren doch erst fünfunddreißig. Als ich näher trat, immer noch mit den Gedanken auf dieser Adoptionsseite, klappte Claudia den Laptop zu. Sie erzählte mir eine zu Tränen rührende Story, ein Klient dessen Namen sie natürlich nicht erwähnte. So weit waren wir also schon, den Partner einfach mit einer Ablenkung belügen. Ich nahm es so hin, brauchte Zeit zum Nachdenken.
    
    Für das Wochenende teilte ich mir den Bereitschaftsdienst komplett zu. Auf unserem AB hinterließ ich Claudia eine diesbezügliche Nachricht. Da überraschend wenig zu tun war, nur zwei Unfälle mit chirurgischen Eingriffen, hatte ich viel Zeit unsere Situation auszuleuchten. Während der Studienzeit hatten wir uns vor fünfzehn Jahren kennengelernt, eine gemeinsame Bekannte hatte eine Party ausgerichtet. Schon beim Augenkontakt hatte es gefunkt. Jede freie Minute verbrachten wir zusammen, wussten schon bald alles vom Anderen, ohne das Studium zu vernachlässigen. Zeitgleich machten wir den Abschluss vor elf Jahren, planten unsere Zukunft. Verliebt wie am ersten Tag heirateten wir im Folgejahr. Weitere zwei Jahre später hatte ich den Facharzt geschafft und Claudia war in der Staatsanwaltschaft aufgestiegen. Die Karriereleiter schritten wir Sprosse um Sprosse nach oben. Als ich vor sechs Jahren die Oberarztstelle bekam, ein gut dotiertes festes Einkommen, wagte Claudia den Schritt in die Selbstständigkeit. Mit der Erfahrung aus der Staatsanwaltschaft war sie bald eine ...
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