Auseinandergelebt
Datum: 15.12.2019,
Kategorien:
Sonstige,
... nächsten Sonntag, ich hätte Claudia ja etwas von Notfall erzählen können, verschaffte ich mir in kürzester Zeit den Zugang zu ihrer Krankenakte.
Die Bestätigung für meine Vermutung, sogar noch weiter reichend, hatte ich schwarz auf weiß vor mir. Knapp ein Jahr vor dem Urlaub hatte Claudia die Pille abgesetzt, wir waren uns einig, bereit für Nachwuchs. Aber erst in der ersten Woche unseres Kenia Urlaubs hatte es dann geklappt, wie ich der Akte entnehmen konnte. Die Röteln hatten dann, in diesem frühen Stadium, zu sichtbaren Fehlbildungen geführt. Einsam, Claudia wusste wie sehr ich mir den Nachwuchs wünschte, hatte sie dann die Abtreibung vornehmen lassen. Das emotionale Loch, sie war auch an einen Psychologen überwiesen worden, hatte ich als natürliche Hormonschwankungen einer Frau wahrgenommen.
Montag, am späten Nachmittag, wurde unser Oberbürgermeister als Notfallpatient eingeliefert. Schwerste Verletzungen durch einen Verkehrsunfall, beinahe ein Wunder dass ich ihn retten konnte. Die fünfstündige Marathonoperation, das Leben hing am seidenen Faden, hinterließ deutliche Spuren der Erschöpfung. Dienstag wurde ich am Krankenbett mit unserem OB von der Presse abgelichtet, was in der Mittwochausgabe zu sehen war. Mittwoch, der OP-Tag war gerade beendet, besuchten mich zwei Kriminalbeamte im Dienstzimmer. Anhand des Fotos in der Tageszeitung hatten sie mich erkannt.
Dem Klinikchef hatte ich nach dem Besuch der Beamten mein Fehlverhalten mitgeteilt. Zu meiner ...
... Überraschung wurde ich nicht suspendiert, er wollte den weiteren Verlauf, wenn es nicht in die Presse geriet, bis zum Urteil abwarten. Mit der so gewonnenen Zeit, irgendwann musste ich es Claudia beichten, wollte ich um sie kämpfen. Meinen neuen Oberarzt, ihn hatte sie bisher noch nicht zu Gesicht bekommen, schickte ich mit einem sehr persönlichen Auftrag in ihre Kanzlei.
Die große braune Holztür ging auf, der Richter und die beiden Schöffen traten zur Urteilsverkündung ein. Als alle im Saal befindlichen Personen wieder saßen, man hätte eine Feder fallen hören, öffnete der Richter seine große Kladde. "Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Der Angeklagte ist schuldig nach....." Ähnlich der Anklageschrift wurden eine Unmenge an Paragraphen und Absätzen angeführt. Im Magen wurde mir flau.
"Daher verurteilen wir den Angeklagten zu sechzig Stunden Sozialdienst, welche bedarfsorientiert im Heim St.Josef abzuleisten sind." Es fiel mir ein Stein vom Herzen, ich wäre so nicht vorbestraft.
"Zur Urteilsbegründung: Die von der Staatsanwaltschaft angeführte psychologische Körperverletzung hat sich nach unserer Überzeugung nicht eingestellt. Unter Berücksichtigung des bisherigen tadellosen Werdegangs, keine Versuche etwas zu beschönigen oder gar zu verbergen, und das sofortige Geständnis bei der ersten Vernehmung, wäre eine geringe Bewährungsstrafe eigentlich herausgekommen. Meine beiden Schöffen, sie haben auch schon bei Kapitalverbrechen Erfahrungen gesammelt, verwiesen auf den ...