Spieglein, Spieglein ...
Datum: 30.01.2020,
Kategorien:
Sonstige,
... guter Musik konnte ich mich besser konzentrieren. Erst dann öffnete ich die kleine Schachtel mit den hauchdünnen Papierseiten, zwischen denen das Blattgold lag.
Mit einem Pinsel bestich ich die Stelle, die ich vergolden wollte, und hob das filigrane Blatt Gold mit einem anderen Pinsel aus der Schachtel, während ich die Luft anhielt. Erst als ich es auf die Ecke legte und vorsichtig fest tupfte, atmete ich flach aus und ein.
Es war ein kleines Stück, was ich fertigstellte, trotzdem fand ich, dass es besser gelungen war, als ich gehofft hatte, von einer professionellen Arbeit nicht zu unterscheiden.
Zumindest empfand ich das und es ermutigte mich, sofort die nächsten Blätter aufzulegen.
Die Zeit verstrich wie im Fluge und ich war erstaunt, als ich auf die Uhr sah und bemerkte, dass es lange nach Mitternacht war. Ich ließ den Pinsel sinken und betrachtete mein Werk aus einiger Entfernung. Ein Viertel hatte ich geschafft und es wunderte mich immer noch, dass es mir so gut gelang. Sogar die Blumenornamente, die nicht einfach bis in den letzten Winkel zu erreichen waren, glänzten ohne schadhafte Stellen. Alles sah wie aus einem Guss aus und wirkte neu, als wenn ich es gerade erst in einem Geschäft gekauft hätte.
Ich schrieb es meiner Sorgfalt zu und macht mir keine weiteren Gedanken darüber.
Schon am Morgen des darauffolgenden Tages machte ich mich erneut an die Arbeit. Es ließ mich nicht mehr los und ich wollte damit fertig werden. Wenn ich mit etwas anfing, ...
... konnte ich es nicht lange liegen lassen.
Stunde um Stunde vergingen, ich aß und trank wenig in der Zeit, arbeitete wie ein Besessener, bis meine Augen vor Anstrengung tränten. Zum Schluss war ich mit allem fertig, nur der obere Rand mit der Teufelsfratze blieben noch übrig. Diese wollte ich am nächsten Tag fertigmachen, obwohl ich es am liebsten sofort gemacht hätte.
Auch wenn es mich innerlich ärgerte, machte ich Schluss und ging nach oben, machte mir etwas zu essen und ging schlafen. Hier blieb ich noch einen Moment wach liegen, starrte an die Decke und fragte mich, ob ich den Rest, nicht doch noch fertig stellen sollte. Doch meine brennenden Augen sagten mir etwas anderes.
Mitten in der Nacht wachte ich auf. In mir war eine Unruhe, die mich nicht weiter schlafen ließ. Gähnend stand ich auf und schlurfte in Hauspantoffeln in die Küche, um mir etwas zu trinken zu holen. Warum ich einen Kaffee aufbrühte, anstatt mir ein Glas Wasser zu holen, kann ich nicht mehr sagen. Jedenfalls saß ich keine zehn Minuten später am Küchentisch und trank von dem starken, schwarzen Gebräu und wachte langsam auf. Klar wie der klang einer Kirchenglocke, wurde ich innerhalb weniger Minuten und beschloss, da ich sowieso wach war, mit dem Spiegel weiter zu machen. So wie ich war, im Pyjama und Bademantel sowie Hausschlappen, schlurfte ich in den Keller und war wenige Minuten später dabei, den Rest des Spiegels zu vergolden.
Dabei hätte ich schwören können, dass noch einen Tag zuvor das Glas ...