Spieglein, Spieglein ...
Datum: 30.01.2020,
Kategorien:
Sonstige,
... des Spiegels mehr beschädigt war als jetzt. Ein paar der tieferen Kratzer waren verschwunden und auch einige der Absplitterungen waren nicht mehr dort, wo ich sie gesehen hatte. Allerdings war es früh am Morgen und ich konnte mich getäuscht haben. Davon ging ich aus und macht mir keine weiteren Gedanken darüber.
Verbissen machte ich mich an die Arbeit und pfiff dabei ein fröhliches Lied mit, was gerade im Radio gespielt wurde, während ich die Teufelsfratze in Angriff nahm. Blatt um Blatt legte sich auf das Zerrbild, während ich ihm mehrmals tief in die Augen sah. Es war ein seltsamer Anblick, passte es doch nicht zu den anderen Ornamenten, die so fröhlich wirkten.
Dann kam das finale, letzte Blatt. Wenn es auflag, hatte ich es geschafft. Es bedeckte das rechte Auge der Grimasse und würde alles vollenden. Fast feierlich zelebrierte ich es, als ich das Blatt vorsichtig fest tupfte und damit die Arbeit zum Abschluss brachte.
Als mein Pinsel das letzte Mal herunterfuhr und eine letzte, winzige Unebenheit festdrückte, hörte ich auf einmal ein Stöhnen, was aus dem Mund der Fratze zu kommen schien. Ich starrte die Maske ungläubig an und konnte es nicht glauben. Doch ich schüttelte meinen Kopf und kam zu dem Schluss, dass es aus dem Radio gekommen sein musste. Eine andere Erklärung gab es nicht.
Nach getaner Arbeit stand ich noch einen Moment zwei Schritte entfernt vor dem Spiegel und betrachtete ihn. Kaum ein Makel war mehr zu erkennen und mein Werk sah fast perfekt ...
... aus. Die einzige Stelle, die mir auffiel, war jene kleine Stelle, die noch mit Gold überzogen gewesen war. Aus einem mir nicht bekannten Grund, wollte hier kein neues Gold kleben bleiben.
So wie der Spiegel jetzt aussah, hätte er in einem Spiegelsaal eines Schlosses hängen können. Es wäre nicht aufgefallen und ich fragte mich, wofür er gemacht worden war. Vielleicht stammte er wirklich aus einem solchen Gebäude. Doch das würde ich wohl niemals herausbekommen. Eine entsprechende Auskunft hatte mir der alte Mann nicht gegeben. Wobei es sicher auch daran lag, dass ich ihn nicht gefragt hatte. Im Prinzip war es mit egal. Jetzt würde er in meinem Haus hängen, was für mich mein Schloss war.
Jetzt, nachdem ich mein Werk abgeschlossen hatte, überfiel mich eine bleierne Müdigkeit. Der Kaffee hatte seine Wirkung verloren und ich schleppte mich zurück in mein Bett. Hier fiel ich sofort in einen tiefen Schlaf und wachte erst Stunden später wieder auf.
Kaum hatte ich meine Augen auf, kletterte ich aus dem Bett und fühlte mich erfrischt wie selten zuvor. Sofort machte ich mich auf in den Keller, holte Bohrmaschine, suchte nach Dübeln und Haken. Leider waren keine da, die das Gewicht des Spiegels tragen konnten. Also fuhr ich zu dem Baumarkt meines Vertrauens, kaufte Schwerlastdübel und Haken und war eine halbe Stunde später zurück.
Jetzt nahm ich am Spiegel Maß und übertrug dieses auf die entsprechende Wand meines Schlafzimmers. Wenig später setzte ich die Bohrmaschine an und ...