1. Die Amateur-Stricherin


    Datum: 06.03.2020, Kategorien: Schamsituation

    ... Knochengestell. Du siehst noch kein bisschen wie eine richtige Frau aus. Deine Totenkopf-Piercings verunstalten dich mehr, als dass sie zu deiner Schönheit beitragen. Das ist jetzt meine ganz ehrliche Meinung. Wenn ich dazu noch an dein unmögliches Benehmen und an deinen Mattenjargon denke, dann kann ich dir nur sagen:
    
    Du törnst mich absolut ab. Weißt du, dass ich dich schon fast richtig liebgewonnen hatte, als du vorhin am Tisch gesessen hast, obwohl du da wirklich gestunken hast, das ist wahr. Du hast gestunken und warst mir trotzdem sympathisch.
    
    Fast hast du mich da schon an meine Tochter erinnert. Die ist jetzt auch nur ein paar Jahre älter als du und wird immer mehr zu einer jungen Frau, die jeder achtet. Du wirst so niemals geachtet werden, höchstens ausgenutzt und verprügelt von solchen Luden, wie diesem Markus, von dem du mir erzählt hast. Wie ist es denn übrigens mit dem Geldverdienen? Kannst du das für dich behalten, oder musst du das abgeben? Wie oft schlägt dich der Markus? Hast du Angst vor ihm?“
    
    Das reicht fürs Erste. Sie hat sich ihren Schlappi geschnappt und sich im Morgenmantel auf der Couch zum Igel eingerollt. Sie schluchzt wie ein Süditalienisches Erdbeben. Immer wieder mit Pausen dazwischen. Das kenne ich auch von Ines. Sie braucht jetzt sanften Zuspruch. Wenn ich so zurückdenke, wie das hier alles angefangen hat, seit wir aus dem Auto gestiegen sind, dann habe ich immer noch Hoffnung. Sie hat im Haus nicht um Hilfe gerufen, sich nicht widersetzt ...
    ... und ist sogar immer zugänglicher geworden. Erst der Telefonanruf hat das Chaos ausgelöst.
    
    „Warum hast du das getan, Cora?“
    
    „Was, Ari? Was soll ich denn getan haben?“
    
    „Warum hast du um Hilfe geschrien, als deine Mutter am Telefon war?“
    
    „Ich wollte ihr einen Schrecken einjagen, damit sie doch die Polizei rufen muss. Davor hat sie doch Angst, stimmt es nicht?“
    
    „Doch, das stimmt schon. Aber damit hast du nicht deine Mutter erschreckt, sondern mich. Ich werde jetzt wahrscheinlich wegen Entführung, Nötigung und Kindesmissbrauch verhaftet. Du bist deiner Mutter ziemlich gleichgültig, scheint mir. Sie hat nicht gefragt, ob es dir gut geht. Ich schätze einmal, dass sie mit dir jetzt etwas ganz Besonderes vor hat. Sie wird dich als Opfer präsentieren. Damit wird sie in der Zeitung ganz groß herauskommen, als besorgte Mutter, Interviews geben, Kerzen und Rosen aufstellen lassen und vielleicht bald befördert werden. Das ist es, was du damit erreicht hast. Näheres werden wir in einer Viertelstunde wissen. “
    
    „Oh Shitt’n Piss! Das ist…, damit könntest du Recht haben. So ist sie. Immer nur die Öffentlichkeit, als wäre das ihr Gott. Ich war ihr immer scheißegal. Verdammt und zugenäht, aber das habe ich wirklich nicht gewollt. Auch wenn du vorhin ziemlich fies zu mir gewesen bist, Ari, wirklich sehr gemein, irgendwie habe ich mich an dich gewöhnt, weil mir das immer schon gefehlt hat, wie ein…“
    
    „Wie ein Vater?“
    
    „Weiß nicht, hatte lange keinen Vater mehr, den hat sie ja ...
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