1. Karibik (9)


    Datum: 17.03.2020, Kategorien: Kunst,

    ... ausprobiert und wir hatten beide unseren Spaß daran. Das ging fast eine ganze Woche so, Abend für Abend, Nacht für Nacht. Ich brauchte keinen anderen Menschen mehr, außer ihr. Irgendwann haben wir uns dann auch verlobt, aber das war schon mehr, um einen Grund zum feiern zu haben. Das Praktikum habe ich dann jedenfalls mit großem Erfolg absolviert.“
    
    „Das kann ich mir auch sehr schön vorstellen, das mit Julie“, sage ich leise zu Björn, „aber warum bist du denn nicht bei ihr geblieben?“
    
    Björn gefriert das eben noch vorhandene fröhliche Lächeln im Gesicht.
    
    „Ja, warum? Das wollte ich dir ja gerade erzählen, Demmi. Ehrlich gesagt, es fällt mir wirklich immer noch sehr schwer…
    
    Aber es muss einmal sein. Wie ich vorhin schon sagte: Ich war bestellt zur chirurgischen Prüfung in forensischer Anatomie, in die Pathologische Abteilung der Uni. Ich sollte dort an einer Leiche die Gebärmutter, die Eierstöcke und die Vagina heraus präparieren und analysieren. Ich höre noch, wie der Chefarzt gönnerhaft sagte: „Extra für Sie, Herr Tanner, haben wir etwas ganz Frisches besorgt, Verkehrsunfall von heute Nacht, na, da legen Sie mal los mit summa con laude!“ Dieser Satz verfolgt mich heute noch in Albträumen, da wache ich immer schweißgebadet auf.
    
    Als der Assistent das Tuch weggenommen hatte, hatte ich schon das Skalpell in der Hand und wollte gerade ansetzen, da sah ich es: drei kleine schwarze Leberflecke gleich links unter dem Bauchnabel, die aussehen, wie zwei kleine Augen und ...
    ... ein lachender Mund. Das Gesicht war noch zugedeckt, aber ich wusste dennoch schon, dass sie es war, ich wollte ihr Gesicht nicht sehen, auch deshalb, weil sie ansonsten überall unverletzt war…“
    
    „War sie es? War es Julie? Oh Gott!“ Mir wird ja ganz schlecht.
    
    „Ja, sie wollte am späten Abend noch ihre Mutter in Schweinfurt besuchen, mit ihrem Motorrad. Sie hatte eine Harley Davidson und war leidenschaftliche Bikerin gewesen.“
    
    „Das tut mir ja so leid, Björn…“
    
    „Ja, es war sehr hart. Ich sehe es heute immer noch nur wie im Nebel vor mir. Ich will es immer noch nicht wahr haben. Es war sie. Ich weiß nur noch, dass ich laut geschrien und um mich geschlagen habe. Dem Assistenten habe ich wohl dabei mit dem Skalpell das Ohr aufgeschlitzt, bevor ich es weit von mir geschleudert habe. Ein halbes Jahr auf Bewährung wegen fahrlässiger Körperverletzung. Man nennt ihn heute noch „Dr. Schlitzohr“. Ich bin da weg, von der Uni und habe zwei Jahre lang als Frauenarzt gearbeitet, als einfacher Facharzt. Aber das ist leider auch nicht gut ausgegangen. Jetzt bin ich eben hier, bei euch.“
    
    „Konntest du den Anblick nicht mehr ertragen, Björn? Ich meine, wenn sich eine Frau untenherum so nackt vor dich hin…“
    
    „Na ja, anfangs hat mich das schon einige Überwindung gekostet, aber man gewöhnt sich sehr schnell daran. Das wird bald zur Routine. Aber etwas ganz anderes hat mir zu schaffen gemacht. In der kleinen Stadt war ich bei den Frauen bald überall bekannt und sie hatten auf einmal alle ...