1. Der Fernfahrer 09


    Datum: 22.03.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... nicht. Vielmehr fühlte ich mich auf der "guten Seite". Welch ein sauberer, anständiger Mensch ich doch war! Geschah ihr ganz recht, meiner Schwester. So wie sie, trieb man es ja auch nicht. Noch nicht mal achtzehn und schon mit so vielen Männern gebumst. Statt sich ein Beispiel an mir zu nehmen!
    
    Oh Gott, was war ich bescheuert.
    
    Aber die Tragödie war noch nicht zu Ende. So ungefähr um sechs Uhr abends kam unsere Mutter von der Arbeit. Sie war noch nicht ganz zu Hause, als Vater sie aufforderte, sich zu setzen, er habe mit ihr zu sprechen.
    
    'Die Hure soll kommen,' schickte er mich nach Simone und ich tat, was er wollte.
    
    Brühwarm und, wie ich heute weiß, mit richtig gemeinen Worten, breitete er die ganze Geschichte vor Mutter aus. Die war sprachlos und wußte überhaupt nichts zu sagen. Irgendwann begann sie zu heulen.
    
    'Kind, Kind,' war das einzige, was sie zu sagen wußte und sie wiederholte es ratlos ein ums andere Mal.
    
    'So,' hörte ich dann Vater sich in kaltem Zorn an Simone wenden, 'folgendes passiert: Du packst deine Sachen und verschwindest. Noch heute! Ich will dich nie wieder sehen. Mach', daß du fortkommst. Geh' in einen Puff, wo du hingehörst, oder tu sonstwas. Du bist ab sofort nicht mehr meine Tochter.'
    
    Jetzt war es Simone, die bleich wurde. Mit einer solchen Konsequenz hatte sie absolut nicht gerechnet. Überhaupt keiner von uns. Simone nicht, ich nicht und Mutter auch nicht.
    
    'Aber Papa.... bitte...' heulte Simone plötzlich los.
    
    'Das kannst ...
    ... du nicht tun, wo soll sie denn hin?' kam Mutters Stimme, 'sie ist doch unsere Tochter.'
    
    Vater böse:
    
    'Ich sagte es doch schon: Ins Freudenhaus, in den Puff! Und du, du Hure, falls du es noch nicht gemerkt hast, es hat sich ausgepapat. Da ist die Tür,' wies er mit seiner Hand in Richtung Flur."
    
    Das heulende Elend hatte meine Anke gepackt. Schluchzend und tränenüberströmt lag sie in meinen Armen und bekannte:
    
    "Und ich versagte zum dritten Mal. Ich habe nicht für Simone gebeten, habe nichts getan, um unseren Vater von seinem Entschluß abzubringen."
    
    "Das wäre in dem Moment vielleicht ja auch gar nicht gut gewesen," versuchte ich Anke zu trösten.
    
    "Mag sein," schluchzte sie, aber ich glaube, ich hätte es zumindest versuchen müssen."
    
    "Und wie ging's weiter? War am nächsten Morgen der Zorn verraucht?"
    
    "Einen nächsten Morgen gab es nicht.
    
    Plötzlich ging ein Zug harter Entschlossenheit über Simones Gesicht. Sie wandte sich meinem Vater zu und konterte:
    
    'Wie schön, daß ich einen Vater habe, der seinen Kindern ihre Fehler verzeiht. Wie schön auch, daß er selbst so völlig untadelig ist und gleich so vollkommen, wie er heute ist, auf die Welt gekommen ist.
    
    Ich frage mich nur, woher ich meine Sinnlichkeit habe. Wenn nicht von dir, mein "lieber Herr Papa", dann ja wohl von meiner Mutter?! Kann ja eigentlich nicht anders sein, oder?'
    
    'Ist das so?' wandte Simone sich fragend an unsere Mutter, 'ist er so prüde und verklemmt, weil er dich nicht befriedigen ...
«1234...13»