1. Der Club der jungen Dichterinnen 08


    Datum: 29.04.2020, Kategorien: Erstes Mal

    Fünftes Clubtreffen
    
    Kapitel neun, in dem Evas Text an der Reihe ist, sie aber scheitert das Gedicht vorzutragen, dass sie geschrieben und wie Ilayda sich um sie kümmert.
    
    Es ist ihr fünftes Treffen. Fünf, wie die Finger an der Hand oder die Zehen am Fuß. Die Fünf hat etwas Komplettes, etwas Vollständiges und heute wird mit Eva die letzte der Freundinnen ihren Text vorlesen. Aber damit soll es nicht enden, niemand will das und doch weiß auch niemand, wie es nach Evas Vortrag weitergehen wird.
    
    Sie gehen zusammen zu Ilaydas Haus zum Clubtreffen. Als sie eintreten, nimmt sie wie jedes Mal der Zauber dieses Hauses gefangen, wobei es ja eher der Zauber ihrer Lehrerin ist, denn sie ist es, die aus dem Ort der Literatur-AG den geheimen Treffpunkt des Clubs gemacht hat. Und es ist genau dieser Zauber, der sie alle so sehr in den Bann zieht. Es duftet nach Tee und leckerem Gebäck, aber es liegt auch ein Hauch eines schwereren Geruchs in der Luft, der verwirrend und betörend ist.
    
    „Ich freue mich euch zu sehen, kommt, setzt euch und lasst uns Tee trinken und das Gebäck genießen." Es ist, als wenn die Novizinnen in der Klosterküche sich für die kleinen Leckereien für die Clubtreffen beim Backen ganz besondere Mühe geben würden. Die Clubmitglieder sitzen zusammen, erzählen ihrer Lehrerin unbedeutende Kleinigkeiten, als wollten sie sich von dem was kommen könnte, ablenken. Heute sind alle noch mehr gespannt, als an den Treffen zuvor. Eva ist für alle ein Buch mit sieben ...
    ... Siegeln, ein Brunnen, zu tief um zu erkennen, was sich am Grund befindet. Was wird Eva heute vorlesen, welche Art von Geschichte hat sie aufgeschrieben? Die Ungeduld wird langsam spürbar, das merkt Ilayda und bittet alle in ihr Schlafzimmer, dem geheimen Clubraum mit dem Lesesessel.
    
    Heute ist es dort noch ein wenig schummriger als bei den Treffen vorher und es duftet nach Räucherwaren. Alle fühlen sich, wie in einer Geschichte aus Tausendundeiner Nacht. Ilayda setzt sich aufs Bett und lehnt sich mit dem Rücken in die Kissen an die Wand. Schnell ist sie von ihren Schülerinnen umgeben, die alle ihre Nähe suchen. Sogar Ann-Kathrin lehnt ihren Kopf an Ilaydas Schulter. Eva nimmt wie üblich auf dem Lesesessel Platz, aber sie ist verändert, nicht die stille, aber bestimmte Person, als die sie die anderen kennen und schätzen. Sie wirkt heute kleiner, in sich zurück gezogener als sie es sowieso schon ist.
    
    „Heute solltet ihr eine Geschichte von mir hören", beginnt sie zaghaft, „aber ich habe es nicht geschafft. Ich konnte nicht genug Worte finden."
    
    Sie macht eine lange Pause, atmet stockend.
    
    „Ich meine, es ist schwer etwas wirklich zu erfinden -- ich bewundere euch für eure Fantasie. Ich schaffe es nicht, mir Personen auszudenken, ihnen Namen zu geben und sie etwas erleben zu lassen. Dazu habe ich wohl selbst noch nicht genug -- oder vielleicht das Falsche erlebt.
    
    Ich habe nur wenige Worte für euch -- tut mir leid."
    
    Ihre Augen beginnen zu Glänzen und eine Träne bahnt sich ...
«1234...9»