1. Nacktes Gretchen (Teil 2)


    Datum: 28.07.2020, Kategorien: Kunst,

    ... nun hinter der Bühne, bereit auf das entsprechende Stichwort zu warten. Es war wie eine Ewigkeit, hier zu stehen und zu wissen, dass ich in ein paar Minuten völlig nackt vor so vielen Leuten stehen werde. Die Minuten und Sekunden verrannen und schließlich war es soweit. Ich musste nun auf die Bühne, welche ich nun wie in Trance betrat.
    
    Nach Betreten des Bühnenraumes hatte ich mich vollständig zu entkleiden. Wie von der Dramaturgie vorgesehen, begann ich damit, mich Stück für Stück auszuziehen: Kleid, Unterrock, Strümpfe, BH und schließlich den Slip. Je mehr ich mich auszog, umso nervöser wurde ich. Bei jedem Bekleidungsstück kostete es mich enorme Überwindung, es abzulegen. Ich war dann auch reichlich aufgeregt, als ich den BH ablegte, sodass ich schließlich nur mehr in meiner Unterhose dastand. Und dann folgte dieses Höschen, das ja ganz an Urgroßmutters Zeit erinnerte. Ich zog es langsam und bedächtig herunter. Nun war ich nackt, vollständig nackt und mir war absolut klar, dass mich alle im Zuschauerraum betrachteten. Wahrscheinlich die Männer mehr als die Frauen, aber sicher war es für alle hier im großen Theaterraum irrsinnig interessant, eine Nackte auf der Bühne zu sehen. Ja, nackt, das war ich nun wirklich, nackt bis auf die Haut. Ich trug lediglich ein Amulett, das ich im Laufe der Szene an Schlomo übergeben sollte. Und dann musste ich von hinten nach vorne kommen, ja ganz nach vorne, sodass mich die Leute noch besser sehen konnten. Ich trat nach vor, ja ganz nach ...
    ... vorne, direkt vor das Publikum und natürlich hatten die Leute in der ersten Reihe nun einen besonders umfassenden Blick von mir, besser gesagt von meinem nackten Körper. In diesem Moment wusste ich, dass mich über 700 Leute so sehen konnten, wie es bisher nur mein Freund konnte. Ich war nackt, splitterfasernackt bis auf die Haut. Obwohl ich mich in diesem Moment irrsinnig schämte, hatte ich keine Zeit, mich zu schämen, denn ich musste ja mit meinem Text beginnen. Und gerade dann, wenn man vor so vielen Leuten vollkommen nackt dasteht, ist das besonders schwierig. Ich musste ja die ganze Zeit daran denken, dass mich alle nun so sahen: Nackt und bloß, ohne jegliches Textil. Und so begann nun unser Dialog, der Dialog zwischen Schlomo und Gretchen. Ich versuchte, nicht daran zu denken, dass alle Blicke auf mich gerichtet waren und so hatte ich auch keine Probleme mit meinem Text.
    
    Hier auf der Bühne zu stehen, vollkommen ausgezogen zu sein und dennoch meine Rolle zu spielen, war so beschämend, aber irgendwo dennoch auch aufreizend. Ich habe mich noch nie so geschämt wie jetzt, aber gerade das war nun so spannend., spannender als alles andere, was ich bisher erlebt hatte. Wenn ich gerade keinen Text zu sprechen hatte, blickte ich ins Publikum. Ich sah nur ein paar bekannte Gesichter, aber die schienen alle von meiner Nacktheit angetan zu sein. Ich machte auch meine Eltern aus. Da saß mein Vater und sah mich nun zum ersten Mal seit meiner frühen Kindheit total nackt. Ich sah nur ...
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