1. Eine nachhaltige Begegnung im Café


    Datum: 13.12.2018, Kategorien: Hausfrauen

    ... Stimme: „War das so auffällig? Mmmh? Ja, ich bin hier quasi Stammgast, junger Mann. Ich hab' einfach die Zeit dazu. Zu Hause ist es mir oft zu still."
    
    Immer dieses "junger Mann", ich war damals 49, verheiratet, hatte eine fast erwachsene Tochter. Meine neue Gesprächspartnerin schätzte ich auf ... ach, ich weiß nicht auf was ... Mitte 60 oder knapp mehr, vielleicht. Fragen konnte ich sie ja (noch) nicht, könnte wohl leicht peinlich werden, wäre unhöflich und ist ja im Grunde auch nicht nötig.
    
    Ich weiter: „Zu still? Sie leben alleine?"
    
    „Ja, ja, vor zwei Jahren ist mein Mann verstorben. Aber ich bin versorgt. Er war leitender Mitarbeiter im Finanzamt ... in gehobener Position. Ich habe leider Zeit, wenn ich das so sagen darf, wenn sie verstehen."
    
    Aha, also doch eine "Wilmersdorfer Witwe", ich lobte still meine Beobachtungsgabe.
    
    „... Und Sie beobachten Männer dabei?", mir schien die erneute Frage zwar etwas zu kess, aber warum nicht. Ich gleich weiter: „Ach, ich heiße übrigens Peter, bin heute hier nur wegen eines Gespräches. Sonst bin ich ja nie hier. Ich wohne in einem anderen Bezirk. Es ist wirklich nett, Sie kennenzulernen."
    
    Ich hatte ihr damit kurz und knapp, quasi spontan, das „Du" angeboten. Mache ich sonst nie so. Den Nachnamen wollte ich aber erstmal nicht rausrücken ...
    
    „Danke, Peter! Ich heiße Susanne. Freut mich, dass du dich traust. Die meisten reagieren auf meine „Spielchen" nicht, aber ich will es auch nicht zu offensichtlich tun. Kann schnell ...
    ... auch peinlich werden. Und wo wohnst DU, wenn wir schon bei den Vornamen sind und du es andeutest, mmmh?"
    
    „Im Prenzlauer Berg ..."
    
    „Ach, im alten Osten?"
    
    „Jauh, gefällt mir dort ... sonst bin ich eigentlich auch alter West-Berliner, aufgewachsen in Spandau."
    
    „Interessant. Und was gefällt dir dort so?"
    
    „Naja, zuerst mal 'ne ganze Reihe kultureller Angebote. Die haben da bis heute noch eine eigene und tolle Rochmusik-Kultur. Kennt kaum einer. Gut ausgebildete Musiker, wenn die auch inzwischen älter geworden sind. Ich fand auch nach der Wende viele Freunde dort. Dann kamen berufliche Perspektiven dazu, UND ich find sie in Sachen Liebesleben und zum Beispiel beim FKK aufgeschlossener. Was soll ich sagen, durch die Enge ihrer beknackten Staatsführung haben sie sich damit eben abgelenkt, damals, neben anderem natürlich."
    
    Susannes Augen fixierten mich, ihr Interesse schien geweckt. Sie goss sich eine weitere Tasse Kaffee ein, lehnte sich zurück und wirkte auf einmal entspannter. Sie weiter mit langsamen, bedacht wirkenden Worten:
    
    „Interessant, ... spannend. Habe ich noch nie so betrachtet. Mein Leben war eher unaufgeregt, habe ich das Gefühl. Klar, ich habe zwei Kinder in die Welt gesetzt. Alle sind was geworden und haben schließlich nach West-Deutschland geheiratet, also Stuttgart und Wiesbaden, aber nach Thomas, meinem verstorbenen Mann, merkte ich bald, es hätte noch ein biss'l mehr sein können ... oder anders gesagt, ich habe das Gefühl, ich bin noch nicht zu ...
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