1. Die Mitte des Universums Ch. 065


    Datum: 16.09.2020, Kategorien: Verschiedene Rassen

    ... offenes Vorhängeschloss an der Tür, da sie keine Hand freihatte, und so ließ ich uns ein.
    
    Da sie das Zimmer seit fünf Monaten allein bewohnte und mich spontan eingeladen hatte, sah es einigermaßen unordentlich, aber doch charmant aus. Die Unterwäsche, die über einem Stuhl hing, griff sie sich rasch und stopfte sie in den Kleiderschrank. Wir würden uns wohl aufs Fußende des Bettes setzen, da dort schon der Tisch stand. Ich stellte die Schüsseln auf selbigen, legte das Besteck daneben und sah mich erst einmal im Zimmer um.
    
    Die Zimmer der Lehrer waren in der selben Farbkombination wie die Klassenzimmer gehalten, genauso wie die Fenster, die Tür und die Vorhänge. Unsere Chefin plante sicherlich, das Lehrerwohnquartier hier letztlich auch noch in Klassenzimmer umzuwandeln, wobei die Corona-Krise dem ganzen Englischunterricht-Geschäft in Vietnam schon einen herben Dämpfer verpasst hatte. Egal, Mavel bat mich nun, mich auf dem Bett niederzulassen und ging noch einmal kurz in die Küche rüber, um den Reis zu holen. Letztlich setzte sie sich neben mich und füllte unsere Schüsseln.
    
    Ihr langes Haar war komischerweise gegelt und hing in Strähnen an ihr herab, was aber nicht schlecht aussah. Ich kam aber nach wie vor nicht über den Umstand hinweg, dass sie sich mit 22 eine blaue Zahnspange hatte machen lassen, da ich wirklich nichts sehen konnte, was mit ihren Zähnen nicht stimmen sollte. Aber ich wollte sie diesbezüglich auch nicht fragen; vielleicht wäre ihr das peinlich ...
    ... gewesen.
    
    Mavel war sicher tief in ihr drin noch die charmante, offenherzige Draufgängerin, die ich vor zwei, drei Jahren kennengelernt hatte, und so machte ich mir keine Sorgen, dass wir kein Thema für unsere Unterhaltung finden würden. Und, ja, sobald wir mit dem Essen angefangen hatten, sprudelte aus ihr nur so heraus. Sie erzählte mir von ihrem Online-Unterricht, den Schülern hier an unsere Schule -- sie hatte jüngere Kinder, während ich nur von der fünften Klasse an aufwärts unterrichtete -- und dann berichtete sie mir sogar noch von ihrem Präsidenten Duterte, über den ich sie vor einem Jahr einmal ausgefragt hatte.
    
    „Schmeckt's Ihnen?" fragte sie zwischendurch.
    
    „Ausgezeichnet," nickte ich nur und nahm mir gleich noch eine halbe Schüssel.
    
    So flink, wie sie schnatterte, war sie sicher froh, mal jemanden hier zu haben, der ihre Geschichten noch nicht kannte, aber ich hatte auch gleich den Verdacht, dass sie so viel so schnell erzählte, um mindestens eine größere Geschichte zu verbergen. Sie hatte ihren Matrosen, zum Beispiel, noch nicht erwähnt. Nun entstand eine Pause im Gespräch, nach der sie mich kurz über meine Familie ausfragte, um dann noch ein Detail die Corona-Situation in den Philippinen betreffend anzufügen.
    
    Während sie redete, sah ich sie mir noch einmal genauer an. Ich mochte ihren schmallippigen Mund und ihre ausgeprägten Kieferknochen. Ihr langes Haar war, wie gesagt, gegelt; es sah aus, als ob es nass war. Ihre dunkelgrüne Brille war durchaus schick, ...
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