1. Argonauta Kapitel 12-22


    Datum: 15.10.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... Populationen ist das Risiko des Aussterbens besonders hoch. Neben der absoluten Populationsgröße, dercensus population size, spielen bei der Fortpflanzung von Populationen viele zufällige Faktoren, die die Allelfrequenz, also die Häufigkeit, mit der eine bestimmte Variante eines Gens im Genpool vertreten ist, verändern, eine Rolle. Diese zufälligen Ereignisse nennen wir Gendrift. Es kommt zum Beispiel auf das Geschlechterverhältnis an. Wenn in einer Population starker Herrenüberschuss herrscht, werden sich nicht alle Männchen fortpflanzen können und deren Allele verschwinden dann aus dem Genpool. Auch die Varianz der Populationsgröße über die Generationen, etwa das Zusammenbrechen und darauf folgend eine explosionsartige Vermehrung, beeinflusst die Gendrift. Oder die Altersstruktur. In einer Population gibt es ja immer auch Individuen, die für die Fortpflanzung noch zu jung sind oder die schon zu alt sind, um sich noch erfolgreich fortpflanzen zu können. Effektiv nimmt am Fortpflanzungsgeschehen einer Population also nur ein Bruchteil der Gesamtpopulation teil."
    
    „Ok, verstanden. Und die effektive Populationsgröße ist jetzt also die Größe der Viecher, die sich vermehren, oder wie?"
    
    „Im Prinzip schon. Konkret bezeichnen wir genau die Größe, die eine idealisierte Population hätte, also eine Population, bei der die Geschlechterverhältnisse ausgewogen sind und alle Individuen sich mit gleichem Erfolg fortpflanzen, welche die gleiche Gendrift aufweist wie die reale ...
    ... Population als die effektive Populationsgröße dieser Population. Wenn beispielsweise eine Population von 600 Individuen eine Gendrift aufweist, die eine sozusagen ‚perfekte' Population von 100 Individuen rein rechnerisch aufweisen würde, dann ist die effektive Populationsgröße nicht bei 600, sondern nur bei 100 Individuen, also sehr viel kleiner als die Gesamtpopulation."
    
    „Und das heißt dann konkret was?"
    
    „Das bedeutet, dass die Population sehr viel mehr Allele verliert, als eine Population von 600 Tieren eigentlich verlieren sollte und das Überleben der Population langfristig gefährdet ist, weil die Population genetisch verarmt. Wenn dann keine Maßnahmen ergriffen werden, um die Population zu schützen, kann es passieren, dass die Population so stark schrumpft, dass sie nicht mehr überlebensfähig ist. Und das heißt dann, dass die Population leider ausstirbt."
    
    „Und wie findest du das alles heraus?", hatte Stewart gefragt.
    
    „Mit Hilfe deslinkage disequilibrium kann man aus populationsgenetischen Daten, zum Beispiel Sets von zwanzig bis dreißig Mikrosatelliten-Markern, mit verschiedenen Software-Paketen die effektive Populationsgröße berechnen. Man muss dazu ... "
    
    Das war der Moment gewesen, an dem Stewart augenrollend aufgestanden war und die Segel gestrichen hatte. „Ich geb's auf", hatte er gesagt, ich bin raus."
    
    „Linkage disequilibrium, Gendrift, Mikrosatelliten ... Himmel, ist das kompliziert", hatte er im Hinausgehen gemurmelt und Melina hatte sich ein Kichern nicht ...
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