Argonauta Kapitel 12-22
Datum: 15.10.2020,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
... sondern ein Kreuz in ihrem Buch.
Auch Florian schien so sein Jagdritual zu haben, wann immer sie eine neue Tierart erblickten. So auch diesmal. Geduckt ging er noch ein paar Schritte näher, hielt sich dann die Kamera vors Gesicht und schoss ein paar Bilder von dem Löffler, der inzwischen etwas Fressbares gefunden hatte, seinen Kopf nach oben reckte, dann in den Nacken legte und den Brocken dabei in die Luft warf, der nach kurzer Reise der Schwerkraft folgend in seinem Maul landete. Kaum geschluckt, tauchte der Vogel seinen Schnabel schon wieder erneut ins Wasser ein.
Julia tat nichts dergleichen. Stattdessen erfreute sie sich einfach an diesem wunderschönen Moment. Sie brauchte kein Foto, kein Kreuz in einem Buch, ihr genügte ganz einfach die schöne Erinnerung an diesen winzigen Augenblick, den sie ganz bestimmt niemals vergessen würde. Wie so vieles, das sie in den letzten Tagen erlebt hatte und hoffentlich noch erleben würde.
„Seid ihr dann fertig?", fragte Julia, „wir haben schließlich noch zu tun."
„Ja", tönten beide unisono.
„Prima, dann legen wir am besten gleich los."
Melina nickte. „Du hast recht. Wir müssen uns beeilen, wenn wir bis zur nächsten Flut fertig sein wollen. Wenn wir die verpassen, sitzen wir mit unserem Floß bis morgen auf dem Trockenen."
Julia wusste, dass für genau diesen Fall auch ein Dreipersonenzelt zur Ausrüstung gehörte, die sie soeben an Land gewuchtet hatten. Sie war allerdings wenig erpicht darauf, die kommende Nacht mit ...
... Florian darin verbringen zu müssen.
Melina holte ein Tablet aus ihrem Rucksack und startete Google Maps. Es erschien eine Karte des Nordteils der Insel, auf der sie mehrere Punkte farbig markiert hatte.
Am Abend zuvor hatte Melina Julia und Florian das Vorgehen erklärt. Die markierten Punkte auf der Karte waren Standorte von Fischadlerhorsten. Gerade war Brutsaison und die Altvögel zogen ihre Jungen groß, die nun allmählich groß genug wurden, um sie zu beringen. Der Plan war es, nach oben in die Baumkronen zu klettern und den Jungvögeln einen Ring zu verpassen und sie bei dieser Gelegenheit gleich noch zu vermessen und zu wiegen. Außerdem sollte von jedem Tier eine Federprobe genommen werden - aus ihr könne dann später im Labor die DNA isoliert und für die Geschlechtsbestimmung und für populationsgenetische Untersuchungen genutzt werden. Melina würde diese Prozedur auf den anderen Inseln entlang der Route derArgo wiederholen und erhoffte sich, auf diese Weise herauszufinden, ob die Populationen der verschiedenen Inseln miteinander in einem genetischen Austausch standen, wie viele Populationen es überhaupt gab und wie groß ihre effektiven Populationsgrößen, dieeffective population sizes, waren.
„Effektive Populationsgröße?", hatte Chief Stewart gefragt, der der Besprechung interessiert gelauscht hatte.
„Wenn man Populationen untersucht, ist es wichtig, auch Kenntnisse über die Größe von Populationen zu erhalten", hatte Melina doziert. „Insbesondere bei sehr kleinen ...