Argonauta Kapitel 12-22
Datum: 15.10.2020,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
... sie mit wutschnaubendem Blick an. Die Spitzen seines Schnäuzers bebten. „Haben Sie eine Ahnung, was es uns kosten kann, wenn der Kerl wieder auftaucht? Die Verwaltungsarbeit, das Personal dafür - dies alles muss bezahlt werden. Der Comissioner war mit dem letzten Quartalsbericht schon sehr unzufrieden und drängt auf tiefgreifende Sparmaßnahmen und nun erzählen Sie mir, Sie hätten einen Vermisstenfall untersucht, der wahrscheinlich gar keiner ist. Was denken Sie sich dabei?"
„Ich habe es in meiner Freizeit getan, Sir", verteidigte sie sich.
„Ich erwarte von meinen Leuten, dass sie sich in ihrer Freizeit ausruhen, damit sie am nächsten Tag wieder pünktlich zum Dienst erscheinen können und nicht, dass sie Detektiv spielen", schimpfte er.
„Es wird nicht mehr vorkommen", sagte Annie und sie fand, dass es beinahe eine Spur zu demütig klang. Hastig fügte sie hinzu: „Sir, ich finde trotzdem, dass man dem Fall nachgehen sollte."
„Die Kriminalabteilung ist ohnehin schon mit dem Douglas-Fall vollkommen überlastet. Die Presse ruft ständig bei mir an und fragt, ob die Banker in Queensland noch sicher sind. Obwohl der Täter eine riesengroße Sauerei hinterlassen hat, gibt es bislang keine Spuren, die auf den Täter schließen lassen könnten. Keine Zeugenberichte, keine Fingerabdrücke, keine Videoaufzeichnungen, nichts. Die Jungs in der Kripo arbeiten jetzt schon am Limit und nun soll ich ihnen auch noch einen Vermisstenfall aufs Auge drücken, der möglicherweise gar keiner ...
... ist?"
Annie sagte: „Sir, ich hatte eigentlich gehofft, dass ich den Fall übernehmen könnte."
„Sie?", fragte McCallum mit einer Mischung aus Überraschung und Verachtung.
„Nun, Sie haben doch selbst gesagt, dass die Kriminalabteilung mit dem Douglas-Fall mehr als genug zu tun hat. Da dachte ich, ich könnte denen ein bisschen Ermittlungsarbeit abnehmen."
„Sie haben doch mit Ermittlungsarbeit überhaupt keine Erfahrung", sagte McCallum und jedes einzelne Wort klang wie ein einzelner Schuss aus einem Maschinengewehr.
Damit hatte McCallum leider recht. Annie war nun seit fünf Jahren Polizistin. Bislang hatte sie aber nur gewöhnlichen Streifendienst verrichtet und den Telefondienst übernommen. Sie machte ihre Sache gut, aber mit echter Ermittlungsarbeit hatte das nichts zu tun. Allerdings hatte man ihr bislang auch nie die Chance gegeben, sich zu beweisen.
„An der Akademie hatte ich nur Bestnoten, Sir", warf sie ein.
„Das ist die Theorie, nicht die Praxis."
„Bei allem nötigen Respekt, Sir, wie soll ich praktische Erfahrung sammeln, wenn niemand mich lässt? Ich bin seit fünf Jahren in Ihrem Revier und habe hervorragende Arbeit geleistet. Trotzdem hat man mich bislang nie mehr tun lassen, als die Telefonauskunft spielen zu dürfen und gelegentlich einen harmlosen Teenie verhaften zu dürfen, der im Supermarkt einen Lippenstift geklaut hat", sagte Annie energisch.
McCallum schwieg eine ganze Weile. Hatte sie sich mit ihrem Vorschlag zu weit aus dem Fenster ...