1. TABU


    Datum: 25.03.2021, Kategorien: Erstes Mal

    ... hinweg, um mich zu überzeugen, dass auch die zweite Aufgabe von allen Schülern aufgeschrieben wurde.
    
    "So, ihr habt für die Lösung der Aufgaben zehn Minuten. Wer fertig ist, bringt seinen Zettel zu mir nach vorn. Und vergesst bitte nicht, euren Namen auf den Zettel zu schreiben!"
    
    Nach dem anfänglichen Tumult herrschte eine geradezu beruhigende Stille. Fast alle Schüler schienen konzentriert mit der Lösung der Aufgaben beschäftigt. Ganz bewusst habe ich sehr leichte Aufgaben gestellt, denn natürlich ging es mir nicht wirklich um den Wissensstand der Klasse. Warum also nicht die Gelegenheit nutzen und möglichst vielen Schülern gleich zu Anfang des Schuljahres ein kleines Erfolgserlebnis verschaffen?
    
    Tatsächlich dauerte es nur knapp fünf Minuten, ehe mir die ersten Zettel nach vorn gereicht wurden. Ich nahm sie mir jeweils direkt zur Hand, um sie zu überfliegen. Natürlich waren mir die Rechenergebnisse völlig egal aber dass durfte ich die Kids natürlich nicht merken lassen. Also ließ ich meine Augen etwas länger über die Blätter schweifen, auch wenn ich bereits auf den ersten Blick erkennen konnte, dass das charakteristisch geschwungene S nicht zu entdecken war.
    
    Ich hatte bereits neun Zettel überflogen, als mein Herz plötzlich einen gewaltigen Sprung machte. Er war mir tatsächlich in die Falle gegangen! Insgesamt 27 perfekte Exemplare des gesuchten Buchstaben, alle mit dem charakteristischen Ausläufer des unteren Bogens, brannten sich geradezu in meine Netzhaut ein ...
    ... und ließen mein Herz augenblicklich einige Takte schneller schlagen. Meine Atmung beschleunigte sich ebenfalls und ich spürte, wie sich meine Nippel verräterisch verhärteten. Das Zittern meiner Hände übertrug sich auf den Zettel, den ich in ihnen hielt. Schnell ließ ich ihn fallen, um mich nicht zu verraten. "Markus Steinmeier" konnte ich gerade noch in der Kopfzeile lesen, ehe eine andere Schülerin ihren Zettel obenauf legte.
    
    Dass ich den Zettel von Markus Steinmeier nicht mehr direkt im Blick hatte, half mir etwas, mich wieder zu beruhigen. Mir war klar, dass es mir für den Rest der Stunde ganz schön schwerfallen würde, mir nichts anmerken zu lassen aber ich musste mich professionell verhalten, durfte mich jetzt auf keinen Fall verraten!
    
    Der Zufall sollte mir zu Hilfe kommen, denn eine der Schülerinnen fing plötzlich herzzerreißend an, zu schluchzen, weil sie noch immer vor einem leeren Zettel saß und keine der beiden Aufgaben gelöst bekam. Ich ging neben ihr in die Hocke und legte ihr einen Arm über die Schulter. Keine Ahnung, was ich zu ihr gesprochen hatte aber ganz offensichtlich muss ich wohl die richtigen Worte des Trostes gefunden haben, denn nach einigen Minuten hatte sie sich beruhigt, lächelte mich dankbar an und versprach, in diesem Schuljahr auf jeden Fall mehr für Mathe zu tun.
    
    Der Rest der Stunde zog sich wie Kaugummi. Immer wieder blickte ich verstohlen in Richtung der hinteren Sitzreihe, wo Markus, ein hochgewachsener, schüchtern dreinblickender Junge ...
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