1. Livias Lustblättchen


    Datum: 28.02.2019, Kategorien: Erotische Verbindungen,

    ... Blick auf die Badezimmeruhr, die mir 20:30 Uhr anzeigte. Die Versuchung war groß, mich in Jogginghose und einem kuscheligen Pullover in Übergröße mit einer Ladung Ben&Jerrys Eiscreme vor den Fernseher zu hauen, mich von irgendeinem Film berieseln zu lassen und meinen Frust wegzulöffeln, bis mir irgendwann hoffentlich einfach die Augen zufallen würden. Doch ich kannte mich gut genug, um zu wissen, dass mein Kopf sowieso keine Ruhe geben würde und diese Form der Ablenkung bei mir einfach nicht funktionierte. Ich war ein Mensch, der in unschönen Lagen einfach zu viele Hummeln im Hintern hatte, um die Sache auszuharren, anstatt mich meinem Tatendrang hinzugeben. Ich nahm die Dinge einfach gerne direkt in die Hand, dagegen kam ich einfach nicht an. Mal ganz davon abgesehen, dass mir bewusst war, dass Schokoeis mit Brownie-Stückchen mein Kernproblem auch nicht lösen würde, da es weder das nötige Gehirn noch die ebenfalls unerlässlichen Finger besaß, um mir einen grandiosen Artikel herbeizuzaubern. Also widerstand ich meinem ersten Impuls und überlegte krampfhaft, was ich stattdessen Produktives machen konnte.
    
    Ich versuchte, genau darüber nachzudenken, was mich schon immer besonders inspiriert hatte und in welchen Situationen mir schon so manche gute Idee gekommen war, wenn ich erst nicht weiter gewusst hatte. Und dann fiel es mir ein: die Menschen. Es waren schon immer die Menschen, mit ihren Geschichten, Schicksalen, Macken und Vorzügen gewesen, die mich inspiriert und zu ...
    ... Höchstleistungen angetrieben hatten. Manchmal waren es gar nicht irgendwelche reißerischen Äußerungen und mehr als offensichtliche Gefühlsregungen gewesen, sondern dezente Gesten, die Mimik einer Person oder auch nur die kleinste Nuance eines Untertons in der Stimme desjenigen, mit dem ich mich unterhielt, die dafür gesorgt hatten, dass ich hellhörig geworden und die Fährte aufgenommen hatte. Ich hatte einfach dieses feinfühlige Gespür für Menschen und hatte mich in der Vergangenheit immer darauf verlassen können.
    
    Diese Gabe verschwand nicht einfach über Nacht, sodass ich mich selbst motivierte, indem ich mir sagte, dass ich mich nur auf dieses Gefühl stützen und daran glauben musste, dass es auch diesmal wieder so sein würde. Allerdings nur, wenn ich mich nicht zu sehr unter Druck setzte, sondern einfach gut beobachten und den Dingen ihren Lauf lassen würde. Schon oft hatte es, um den Ansatz einer zündenden Idee zu bekommen, gereicht, wenn ich mich irgendwo in ein Café oder in eine belebte Bahnhofshalle gesetzt und einfach die mich umgebenden Leute beobachtet hatte. Man erfährt, wenn man aufmerksam ist und sich unauffällig gibt, nämlich viel mehr über andere, als man es zunächst vermuten würde.
    
    Denn niemand ist so echt, authentisch und pur, wie jemand der sich absolut unbeobachtet fühlt und nicht bewusst darüber nachdenkt, was er gerade tut, wie er spricht oder welche Gefühlsregungen er gerade eventuell ausstrahlt. Ich hatte diese Momente schon immer geliebt, weil sie so ...
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