1. Femme Fatale 02


    Datum: 03.02.2024, Kategorien: Fetisch

    ... Menschen. Auch anders als Sie selbst."
    
    „Und genau das ist das Problem!" meinte sie hitzig. „Du willst nicht sehen!"
    
    „Das ist es nicht. Ich will es Ihnen erklären.
    
    Es hat mit einer Grund-Erkenntnis zu tun, die ich gemacht habe und die mein Leben bestimmt. Diese Erkenntnis kam mir mit 16 Jahren.
    
    Ich war mit einer Jugendgruppe nach Rom gefahren. Wir haben uns viele alte Steine angeschaut und viele Kirchen. Der absolute Höhepunkt war aber, dass unsere Gruppe eine Privataudienz beim Papst hatte.
    
    Er sprach jeden von uns an, reichte jedem die Hand und sprach ein paar Worte mit uns. Mich fragte er, als er meine Hand hielt, was mir wichtig wäre im Leben. Ich sagte verdattert: „Ich weiß nicht"
    
    Da sagte er: „Das ist aber sehr wichtig! Einfach nur dahinvegetieren ist zu wenig. Das tun auch die Tiere. Mach dich auf die Suche, junger Mann!" Dann ging er weiter und ließ mich verdutzt zurück.
    
    Ich wusste sofort, dass dieser Moment einer der ganz großen in meinem Leben war.
    
    Ich versuchte, mit den anderen Jugendlichen darüber zu sprechen. Aber sie lachten mich nur aus.
    
    Und sie fingen an, zu lästern und zu schimpfen über den „alten Sack" in Weiß. Alle waren sie ergriffen gewesen, als sie in dem Marmorsaal im Vatikan standen und mit dem Papst sprachen. Und jetzt gaben sie keine Ruhe, bis dieser große Moment klein geredet, sarkastisch lächerlich gemacht, infrage gestellt und letztlich gründlich zerstört war.
    
    In dieser Nacht habe ich bitterlich geweint.
    
    Mir wurde ...
    ... klar, dass wir Menschen uns auf geradezu morbide Weise bemühen, unsere Welt banal und rein funktional sehen zu wollen.
    
    Alles Große und Schöne, die Dinge von Bedeutung und Wahrheit, und die großen Momente in unserem Leben werden mit selbstzerstörerischem Eifer so lange hinterfragt, bekrittelt, Sarkasmus und Kritiksucht ausgesetzt, bis sie in Trümmern liegen.
    
    In dieser Nacht beschloss ich, große Momente zu suchen, sie im Herzen zu bewahren und sie mir nicht mehr kaputtmachen zu lassen.
    
    Ich meine Momente, in denen man spürt, dass man etwas berührt, was viel größer ist als man selbst. Etwas, was vielleicht nicht von dieser Welt ist.
    
    Denn in diesen Momenten spürt man, dass man wirklich lebt und nicht nur dahinvegetiert. Dass man Teil von etwas Großem ist. Und damit ist man selbst irgendwie größer.
    
    In einem Buch habe ich gelesen, dass früher „das Gute" und „das Schöne" als ewige Dinge galten, die nicht von dieser Welt sind. Sie galten als Gottes Eigenschaften.
    
    Tja, ich weiß nicht, ob es einen Gott gibt. Aber ich weiß, dass es das Gute und das Schöne gibt. Denn ich habe es erlebt. Immer wieder.
    
    Das Gute habe ich in Menschen gefunden, denen ich begegnet bin. Das ist der Grund, warum ich Staatsanwalt werden will. Ich will für das Gute kämpfen.
    
    Als ich vor einem Gemälde von Kaspar David Friedrich stand; als ich in einem Konzert die zweite Sinfonie von Sibelius hörte; als ich einen Sonnenuntergang auf Kreta sah, da wusste ich, dass es „das Schöne" gibt.
    
    Diese ...