1. Argonauta Kapitel 08-11


    Datum: 01.07.2019, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... stillem Wasser herunter und nahm über ihr Headset das Gespräch entgegen. „Queensland Police, Revier 23, Sie sprechen mit Constable Annie Blackthorne, was kann ich für Sie tun?", meldete sie sich ziemlich gelangweilt.
    
    „Hallo", sagte eine Frau am anderen Ende der Leitung. Sie schien ganz nervös und aufgekratzt zu sein. „Hier spricht Lydia Singer. Ich möchte meinen Mann als vermisst melden, Donald Singer."
    
    „Einen Moment bitte, Ma'am." Annies Finger huschten klappernd über die Tastatur ihres Desktoprechners, um das entsprechende vorgefertigte Formular für Vermisstenanzeigen aufzurufen. „Sie wollen Ihren Mann als vermisst melden, ist das richtig?", fragte sie noch einmal höflich nach. Sicher ist sicher, nicht dass sie die andere Gesprächsteilnehmerin in ihrem verkaterten Zustand falsch verstanden hatte.
    
    „Ja, genau. Er ist verschwunden und das sieht meinem Donald überhaupt nicht ähnlich. Wenn ihm etwas passiert ist ... ", sprudelte es aus der älteren Dame heraus.
    
    „Beruhigen Sie sich erst einmal Ma'am. Seit wann ist Ihr Mann denn verschwunden?", fragte Annie.
    
    „Heute Vormittag habe ich noch mit ihm telefoniert. Er arbeitet in der Universität, wissen Sie? Mein Mann ist Professor für Geschichte und ... ach, das wird Sie bestimmt nicht interessieren, Constable ... " Die Frau, Annie schätzte sie dem Timbre ihrer Stimme nach zu urteilen auf irgendetwas zwischen Ende fünfzig und Anfang siebzig ein, hatte recht -- es interessierte sie wirklich nicht. „Jedenfalls ist Donnie ...
    ... heute früh in sein Büro gefahren, um Klausuren zu korrigieren. Als ich ihn gegen zehn anrief und daran erinnerte, dass unsere Tochter heute vorbei käme und er sich beeilen solle, um pünktlich zum Mittagessen da zu sein, meinte er, dass er sich sofort auf den Weg machen würde, aber er ist bis jetzt noch nicht aufgetaucht."
    
    „Ma'am, Ihr Mann ist erst seit heute Mittag verschwunden?", fragte Annie und verdrehte die Augen.
    
    „Ja, das ist richtig."
    
    „Ma'am, wir können eine Vermisstenanzeige erst aufnehmen, wenn die gesuchte Person mindestens vierundzwanzig Stunden lang verschwunden ist", erklärte Annie.
    
    „Aber", sagte Lydia konsterniert, „das sieht Donnie überhaupt nicht ähnlich. Da muss doch etwas passiert sein!"
    
    „In den allermeisten Fällen taucht eine vermisste Person innerhalb eines Tages wieder wohlbehalten auf, Ma'am", antwortete Blackthorne routiniert professionell. Eine Antwort, die zwar keinen Trost spendete, in der Regel aber der Wahrheit entsprach.
    
    Eine lange Pause entstand, in der nur das knisternde Rauschen der Leitung zu vernehmen war.
    
    „Ma'am, sind Sie noch dran?", fragte Annie.
    
    „Hören Sie", sagte Lydia schließlich ärgerlich, „Sie sind doch die Polizei, oder nicht?"
    
    „Das ist richtig." Natürlich waren sie die Polizei. Und die hatte schon genug mit richtigen Fällen zu tun. Die Beamten konnten sich doch nicht mit solchen Dingen beschäftigen wie alten Ehemännern, die ein paar Stunden zu spät zum Essen kamen. Annie zuckte ratlos mit den Schultern. ...
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