1. Freund oder Feind?


    Datum: 23.07.2019, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie,

    ... Quartier nicht viel finden würde. Dass er nicht einmal seinen Koffer ausgepackt haben würde. Aber das war egal. Auch dass das Quartier hässlich war, war egal.
    
    Sermo war mit einem viel drängenderen Problem beschäftigt: Das Video vom Tod Stefans hatte eine Framerate von 200 Bildern pro Sekunde gehabt. Davon waren 7 Frames manipuliert worden. Der Feuerstoß, der von der Waffe der seltsamen Alien-Frau ausgestoßen wurde, passte in Textur und in Spektralzusammensetzung nicht zum Rest. Er war offensichtlich später eingearbeitet worden. In Wahrheit kam der Feuerstoß aus einer Position, die sich vielleicht einige Meter unter der aufnehmenden Kamera befunden haben mochte. In ihrem Geist sah sie die einzelnen Frames immer und immer wieder. Sie hatte zwar bei Gelegenheit schon gemerkt, dass sie schneller reagieren konnte, als Stefan, aber kein menschliches Auge konnte Details im Bereich von 5 Millisekunden auflösen. Kein menschliches Auge konnte Spektralanalysen und Cosinus-Transformationen von Farbmischungen durchführen.
    
    Kein Mensch reagierte auf den Tod eines Angehörigen mit Gleichgültigkeit.
    
    Sie ging ins Badezimmer. Stefans Sachen lagen noch auf der Ablage unter dem Spiegel. Sie spritzte sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht und blickte in den Spiegel. Aber was sie sah, war keine Frau mit sorgsam hochgestecktem braunen Haar, mit ausdrucksvollen Augen und einem sinnlichen Mund. Sie sah ein Monster. Zurück im Zimmer warf sie sich auf das Bett. Es roch nach ihm. Tief vergrub sie ...
    ... ihr Gesicht im Kissen. Sie wusste, dass sie für ihn da sein musste, gerade in einer solchen Situation, welche Zweifel auch immer auf ihr lagen. Er vertraute ihr, so wie sie ihm vertraute. Das war die Grundlage jeglicher Beziehung. Und wenn sie schon kein Mensch sein mochte, ihr Vertrauen ineinander blieb. Ihre Liebe blieb.
    
    Sie stand auf, fest entschlossen, nicht an sich zu denken, sondern an ihn, und zu beginnen. Aber wo? Der Beginn war das Ende. Sie konnte nur dort anfangen, zu suchen, wo Stefan am Ende gewesen war, vor einem Abgrund stehend, eine Feuerwand auf sich zurasend.
    
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    Stefan merkte zuerst gar nicht dass er wach war. Denn das Wachsein entsprach in allem dem Schlaf. Es war dunkel. Er sah nichts. Er hörte nichts. Er spürte nichts. Dann, langsam, als ob die Realität nach und nach in sein Bewusstsein eintröpfelte, gewahrte er, dass er atmete. Dass er auf etwas Hartem lag. Dass er die Augen geöffnet hatte. Dass er auf seinen Wangen einen leichten Luftzug eiskalter Luft spürte, kaum wahrnehmbar. Auf dem Rest seines Körpers auch. Er war nackt.
    
    Dann kamen seine Erinnerungen wieder. Die Hitze, der Lärm. Er war gesprungen. Unter sich ein unermesslicher Abgrund. Er fiel und fiel. Aus der Klippe ragten Felskanten, Büsche und Bäume hervor. Immer wieder war er gegen diese gekracht. Sie hatten ihm die Kleidung, die Haut, das Fleisch zerfetzt. Knochen gebrochen. Vielleicht seinen Fall etwas abgebremst. Dann kaltes Wasser. Ein Schlag. Dann nichts mehr.
    
    Aber er spürte ...
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