1. Brüste an die Küste


    Datum: 04.11.2018, Kategorien: CMNF

    ... Meter ab und konnten mit der Länge die Empfangsleistung abstimmen: Wir konnten Radio hören. Damals gab es auf Mittelwelle noch einige Sender zu empfangen. Heute mag es alles von tollen UKW-Empfängern bis zum Internetradio geben. Aber alles das ist in dieser Robinsonade nutzlos. Zudem sind fast alle Stationen abgeschaltet und es gibt endlos viele Störquellen, da heute alles über Funk übertragen wird. Die alte Technik hat schon etwas für sich. Wir konnten endlich Nachrichten hören.
    
    „Toll!“, meinte Julia. „Ich habe eine Schwester, die mit einem Staubsauger Radio hören kann. So kommen wir auf jeden Fall durch die Nacht.“
    
    Nackt lauschten wir Steinzeitmäuschen der Mittelwelle. Die Wellen sagten jedoch nichts Gutes. Uns interessierte Politik für den Augenblick nicht wirklich, wollten wir doch nur den Wetterbericht. Und der war so ernüchternd, dass uns nichts aufmunterte, nicht einmal unser erotischer Anblick. Tatsache: Wir waren immer noch nackt. Das lag aber nicht daran, dass Louisa beim Ausrutschen alle im Nachbarhaus vorhandenen T-Shirts in den Modder geschleudert hätte – hatte sie auch nicht –, sondern daran, dass wir eigentlich immer noch nicht verstanden hatten, was um ums herum vorging. Wir waren immer noch im Urlaub: hübsch, lecker, schön, Wiebkes ausladender Vorbau immer noch ein Hingucker – selbst bei Funzellicht. Wir waren abgelenkt. Dann kam der Baum und das beschädigte Dach wieder in das Gedächtnis zurück. Augenblicke der Entspannung prügelten sich mit den ...
    ... Augenblicken der Beunruhigung, der Angst. Wir schauten der brutalen Schlacht zu und wechselten ständig den Favoriten. Furcht, Entspannung, Normalität. Drohende Gefahr, Angst, Katastrophe.
    
    Es war später Nachmittag geworden. So langsam bekamen wir Hunger. Ohne Strom zu kochen, ist keine leichte Aufgabe. Den Grill konnten wir nicht benutzen. Wir aßen kaltes Fleisch, Salatreste, etwas Brot. Es war unvernünftig, in dieser Situation Alkohol zu trinken, aber dennoch genehmigten wir uns eine Flasche Bier, da wir – peinlich ist es zuzugeben – kaum ausreichend Alkoholfreies im Hause hatten.
    
    Wir wurden müde, trauten uns aber nicht, uns alle gleichzeitig schlafen zu legen. Nach kurzer Diskussion bekam ich die Genehmigung, mich für einige Stunden schlafen zu legen. Ich schwankte zu meinem Bett, legte mich hin.
    
    Es dauerte jedoch nicht lange, bis ich von den Sturmgeräuschen geweckt wurde. Jetzt wurde es unheimlich, zumal wir alle das beschädigte Dach vor Augen hatten und sahen, welche Folgeschäden dieses hatte. Wir hatten Mineralwasser, Knabberzeug. Damit konnten wir nur abwarten. Wir saßen im Wohnzimmer, waren immer noch nackt, als ob nichts geschehen wäre, hörten den Sturmgeräuschen zu, machten ab und zu einen Rundgang durch das Haus, kamen mit beruhigenden Nachrichten für die anderen zurück. Manchmal versuchten wir mit einem Blick durch die Fenster herauszufinden, was draußen geschah – aber da war nur die Nacht, die Dunkelheit, der Abgrund. Irgendwelche unbekannten Dinge flogen herum, ...
«12...131415...21»