"Linus" Kapitel 2
Datum: 07.11.2018,
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An– und Ausgezogen,
... an dem kleinen Jungen gestört hatten. Aber er war schon lange kein kleiner Junge mehr. Es war ihm peinlich, so gesehen zu werden, und normalerweise musste seine Tante das doch verstehen. Es müsste auch ihr peinlich sein, ihn so zu sehen. Aber sie stand da, putzte sich die Zähne und tat, als wäre er nicht da.
Er ging unsicher auf sie zu, jeder Schritt fühlte sich merkwürdig an. Als er nach seinem Handtuch greifen konnte, war er nur noch einen knappen Meter von ihr entfernt. Er nahm es vom Haken, drehte sich weg und begann sich abzutrocknen, während er wieder ein paar Schritte in die andere Richtung ging. Schließlich war Christina fertig, spülte sich den Mund aus, sagte: „Bis heute Mittag“, und verschwand ohne noch einmal zurück zu sehen aus dem Badezimmer.
Linus wusste nicht so wirklich, was er denken sollte. Seine Tante hatte ihn ein weiteres mal nackt gesehen. Eigentlich machte das ja auch keinen Unterschied mehr, das hatte sie ja sowieso schon. Aber dieses mal hätte er es verhindern können. Wenn es also wirklich eine Aufgabe von Christina an ihn gewesen ist, musste sie jetzt denken, dass er nackt von ihr gesehen werden wollte. Sie musste denken, dass es ihm gefiel. Aber gefiel es ihm denn? Darauf hatte er keine Antwort. Nur eins wusste er genau: Nie hätte er gedacht, dass die Ungewissheit so aufregend sein konnte.
Der Vormittag verlief ereignislos. Irgendwann gegen Mittag kam Christina zurück, die frisches Obst mitbrachte. Sie hatte vorgeschlagen, ein Picknick zu ...
... machen und Steffi und Linus wollten gerne mitkommen. Also packten sie noch etwas von der leckeren, selbstgemachten Limonade ein und liefen los, ohne ein genaues Ziel, einfach um das schöne Wetter zu genießen. Nach einer Stunde machten sie bei einer großen Eiche halt, in deren Schatten sie es sich gemütlich machten. Sie erfrischten sich mit den süßen Früchten und der kühlen Limonade und ließen es sich gut gehen. Mit Christina wurde es nie langweilig, denn sie hatte immer etwas zu erzählen, war aber auch eine gute Zuhörerin und interessierte sich für die Meinung von Stefanie und Linus. Abends gab es dann einen von Timo zubereiteten Lachs und passenden Weißwein dazu. Als sie alle satt waren, wurden die Karten heraus geholt und eine Partie Doppelkopf angefangen. Linus hatte noch nie mitgespielt, weil sein Vater sonst immer der vierte Mann gewesen ist, aber er lernte schnell und nach einer Stunde mussten sich die anderen schon vor ihm in Acht nehmen.
Während der ganzen Zeit verhielt sich Christina gegenüber Linus nicht anders, als sie es sonst getan hätte. Trotzdem schoss ihm den ganzen Tag immer wieder eine Frage durch den Kopf. Was würde er finden, wenn er heute Nacht den Laptop aufmachen würde? Stand dort eine neue Aufgabe, war klar, dass er es sich nicht bloß eingebildet hatte. Aber es bestand nach wie vor die Möglichkeit, dass dort nichts stehen würde, es doch nur eine Geschichte von Christina gewesen ist.
Irgendwann wurde das Spiel abgebrochen, weil Timo, der natürlich ...