1. Die Schaufensterpuppe Kap. 02


    Datum: 21.05.2020, Kategorien: Fetisch

    ... mehr so wütend war, sondern eher als ob sie einfach keine Lust mehr dazu hatte, laut zu reden.
    
    Ich schüttelte erneut den Kopf, doch das konnte sie nur falsch verstehen, kam es mir in den Sinn, also schrieb ich: »Ich bin nicht gefühllos! Ich habe gehofft, daß sie das selbe fühlt, wie ich.«
    
    Wieder las sie, was ihr sichtlich Mühe bereitete. »Und was sollte das dann, was du die letzten Wochen hier abgezogen hast? Hast du denn gar nicht gemerkt, wie sie sich dabei gefühlt hat?«
    
    Natürlich hatte ich das gemerkt. Aber es war mir egal gewesen. Nein, nicht egal, ich habe es sogar mit einer gewissen Genugtuung gesehen, doch das wollte ich jetzt ganz sicher nicht schreiben. Also schrieb ich: »Warum hat sie dann diesen Mann umarmt und geküsst?« Dies zu schreiben fiel mir besonders schwer, weil dabei das Bild, wie sie diesen Mann geküsst hatte, wieder vor meinen Augen auftauchte.
    
    Sie las und sah mich ungläubig an. »Sie hat einen Mann geküsst?«, fragte sie. »Gertrud soll einen Mann geküsst haben? Das kann nicht sein. Ganz sicher nicht Gertrud. Wann soll das denn gewesen sein?«
    
    »Neujahr. Sie hat ihn vor dem Schaufenster geküsst und ihn umarmt und den Laden gezeigt. Und abends haben sie sich noch mal geküsst«, schrieb ich. Meine Schrift wurde immer zittriger, während ich mir diese Szenen in Erinnerung rief. Ich fing wieder an zu weinen und zeigte ihr mit zitternden Händen den Block.
    
    »Gertrud?«, fragte sie ungläubig. »Das kann ich mir nicht denken. Sie mag Männer absolut ...
    ... nicht. Sie hat doch nicht mal Männer als Kunden. Bist du dir sicher, daß das Gertrud war?«
    
    Ich sah auf, schaute sie an und nickte. Ich fragte, wie das zusammen passte. Ich war mir ganz sicher, daß es Gertrud gewesen war. Sie hatte ihm doch noch den Laden gezeigt und sie hatten gelacht und ganz offensichtlich hatten sie sich gefreut, sich zu sehen.
    
    Sie sah mich an und schien zu überlegen. »Neujahr, sagst du?«
    
    Ich nickte und fragte mich, worüber sie nachdachte.
    
    Plötzlich schlug sie sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Roland«, sagte sie nur und sah mich stumm an.
    
    Ich hatte keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte und warf ihr einen fragenden Blick zu, nur um mich gleich darauf zu erinnern, daß sie das ja gar nicht sehen konnte.
    
    Ihre Stimme veränderte sich schlagartig, als sie sagte: »Du hast gedacht, die Beiden sind ein Paar?«
    
    Was sollten sie denn sonst sein, so wie sie sich umarmt hatten? Ich nickte fest.
    
    »Oje, jetzt weiß ich, was mit dir los war«, sagte sie, kam zu mir, umarmte mich und war plötzlich wie ausgeweechselt.
    
    »Ich kann mir gut vorstellen, wie es dir gegangen sein muss. Und ich glaube, dafür ist sie dir ganz bestimmt eine Entschuldigung schuldig. Aber du brauchst dir ganz bestimmt keine Sorgen zu machen. Roland ist Gertruds Bruder. Er wohnt in den Staaten. Sie hat mir ja sogar noch gesagt, daß er Neujahr her kommt und sie besucht. Warum ist mir das nicht gleich eingefallen?«
    
    Sie streichelte sanft meinen Rücken und sagte: »Nein, du ...